Das Unionsrecht lässt den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Ausgestaltung der Steuererklärungs- und Anmeldepflichten sowie hinsichtlich der Fälligkeit weitgehend einen erheblichen Spielraum.
Die Abgabe einer zusätzlichen Steuererklärung für das Kalenderjahr ist unionsrechtlich nicht vorgeschrieben. Die MwStSystRL überlässt es den Mitgliedstaaten, den "Steuerzeitraum" zu bestimmen, der nach den Vorstellungen der Richtlinie zwischen einem Monat und drei Monaten liegen soll, jedoch von den Mitgliedstaaten bis auf ein Jahr ausgedehnt werden kann (Art. 252 Abs. 2 MwStSystRL). Die Richtlinie unterscheidet mithin nicht zwischen "Voranmeldungszeiträumen" und "Besteuerungszeitraum". Danach ist "die" Mehrwertsteuererklärung nach Ablauf des Steuerzeitraums abzugeben (Art. 252 Abs. 1 Satz 1 MwStSystRL).
Dementsprechend besteht nach Art. 252 i.V.m. Art. 261 MwStSystRL für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, den Unternehmer lediglich zur Abgabe von umsatzsteuerlichen Anmeldungen zu verpflichten bzw. auf eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung zu verzichten. Die Mitgliedstaaten können aber auch eine entsprechende Verpflichtung im jeweiligen nationalen Recht gesetzlich bestimmen. In diesem Fall muss die Jahreserklärung alle Angaben enthalten, die für etwaige Berichtigungen der für die einzelnen Steuerzeiträume abgegebenen Mehrwertsteuererklärungen von Bedeutung sind (Art. 261 Abs. 1 MwStSystRL).
Abgrenzung von Jahres- und Mehrwertsteuererklärung: Diese Jahreserklärung ist von der in Art. 252 Abs. 1 MwStSystRL geregelten Mehrwertsteuererklärung abzugrenzen, wenn als Steuerzeitraum nach Art. 252 Abs. 2 Unterabs. 2 MwStSystRL das Kalenderjahr bestimmt worden ist. Die nach Art. 261 Abs. 1 MwStSystRL mögliche Jahreserklärung betrifft nur die Fälle, in denen ein kürzer Steuerzeitraum vorgesehen ist, und dient der Kontrolle der für diese Zeiträume abgegebenen Mehrwertsteuererklärungen.
Da im Idealfall die Jahreserklärung zu keiner Änderung der für das Kalenderjahr festgesetzten Steuer führt, weil die Jahreserklärung der Summe der vorangemeldeten Steuern entspricht, werden auch vor dem Hintergrund des Bürokratieabbaus immer wieder Überlegungen angestellt, die Jahreserklärung in Deutschland abzuschaffen. Dadurch würden Unternehmer, welche aktuell nach § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG lediglich die Jahreserklärung zu übermitteln haben, nicht stärker belastet, da auch bei Abschaffung der Jahreserklärung ein jährlicher Erklärungszeitraum zulässig wäre (quasi eine "Jahres-Anmeldung").
Gleichwohl bestehen erhebliche Bedenken gegen eine mögliche Abschaffung der Jahreserklärung.
Das Muster der Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr 2024 umfasst sechs Seiten. Im Gegensatz dazu umfasst der Vordruck für das Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren für dieses Kalenderjahr lediglich drei Seiten. Bereits daraus wird deutlich, dass in der Jahreserklärung zahleiche weitere Angaben abgefragt werden. Verzichtet man in Zukunft auf die Jahreserklärung, müssten diese Angaben zumindest teilweise bereits im Voranmeldungsverfahren gemacht werden. Dann wären diese Angaben aber nicht nur einmal im Jahr mit Abgabe der Jahreserklärung, sondern mehrmals im Kalenderjahr mit Abgabe der Voranmeldungen der Finanzbehörde mitzuteilen.
Zu bedenken ist außerdem, dass die Jahresabschlüsse von Unternehmen in der Regel nicht zeitnah zum 31. Dezember eines Jahres, sondern erst später erstellt werden. Daraus können sich Sachverhalte von umsatzsteuerrechtlicher Relevanz ergeben, die immer erst in der Jahreserklärung berücksichtigt werden können. Bei einem Wegfall der Jahreserklärung müssten dann die bereits abgegebenen Voranmeldungen nachträglich berichtigt werden. Beispielsweise sieht § 44 Abs. 3 UStDV vor, dass eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges nach§ 15a UStG nicht im Voranmeldungsverfahren, sondern in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung erfolgt. Auch die Privatentnahmen werden in der Praxis erst mit den Jahresabschlüssen gebucht.
Auch wenn prüfungsbedürftige Abweichungen zwischen Voranmeldungen und Jahreserklärung entfallen würden, dürften bei einem Wegfall der Jahreserklärung zusätzliche zeitliche Abgrenzungsprobleme hinzukommen, die aktuell nur zum Jahreswechsel relevant sind. Entfällt die Jahreserklärung, müssen die Eingangs- und Ausgangsumsätze dem jeweiligen Voranmeldungszeitraum zutreffend zugeordnet werden. Da schließlich Berichtigungen in nachfolgenden Voranmeldungszeiträumen nicht möglich sind, dürfte der Anteil der berichtigten Voranmeldungen erheblich ansteigen.