Instrumente der Finanzverwaltung in Zeiten verlängerter Abgabefristen

[Ohne Titel]

Ann-Erika Jörißen, RD’in, LL.M Köln-Paris[*]

Die wiederholte Verlängerung der Steuererklärungsfristen und der zinsfreien Karenzzeiten trägt den andauernden Zusatzbelastungen der Steuerpflichtigen und der Angehörigen der steuerberatenden Berufe im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Rechnung. Aber auch die Finanzverwaltung wurde durch die Pandemie und in jüngster Zeit auch durch die Grundsteuerreform vor große Herausforderungen gestellt. Um auch in schweren Zeiten die rechtzeitige Festsetzung und Zahlung der Steuern und damit die zeitnahe Erledigung ihrer Veranlagungsaufgaben zu gewährleisten, müssen die Finanzbehörden die zeitnahe und fristgerechte Abgabe der Steuererklärungen sicherstellen. Hierzu greifen sie häufiger und rigoroser als noch vor ein paar Jahren zu den unliebsamen Instrumenten Verspätungszuschlag und Zwangsgeld, um die Steuerpflichtigen zu einem pünktlichen Erklärungseingang zu bewegen.

[*] Die Verfasserin ist im Höheren Dienst der Finanzverwaltung NRW tätig. Der Beitrag gibt lediglich ihre private Auffassung wieder.

1. Verlängerte Abgabefristen und Situation der Finanzverwaltung

Weil Steuerpflichtige, aber auch Angehörige der steuerberatenden Berufe nicht nur durch die andauernde Corona-Pandemie, sondern auch durch die erheblichen Zusatzarbeiten im Zusammenhang mit der Grundsteuerreform weiterhin stark belastet sind, wurden die Steuererklärungsfristen des § 149 AO und die damit zusammenhängenden Fristen und Termine für den Veranlagungszeitraum 2020 erneut verlängert. Auch für die Veranlagungszeiträume 2021 bis 2024 wurden vergleichbare Regelungen getroffen, durch welche die gesetzlichen Fristverlängerungen bis zur Rückkehr zum regulären Fristablauf im Veranlagungszeitraum 2025 wieder abgebaut werden.

Auch die Finanzverwaltung ist durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Grundsteuerreform belastet. Die ohnehin zu beobachtende Arbeitsverdichtung wird durch die Verlängerung der Steuererklärungsfristen noch vorangetrieben, weil diese die von den Finanzbehörden vorzunehmenden Veranlagungstätigkeiten für die betroffenen Veranlagungszeiträume zeitlich nach hinten verschiebt und dadurch mit der Veranlagung des jeweils neuen Veranlagungszeitraums kollidieren lässt. Die Finanzbehörden sind dementsprechend mehr denn je auf eine pünktliche Erklärungsabgabe angewiesen, um diese Auswirkungen nicht noch zu verschlimmern. Dies führt einerseits dazu, dass Fristverlängerungsanträge äußerst restriktiv gehandhabt werden und andererseits, dass die Instrumente, die der Finanzbehörde zur Verfügung stehen, um die Steuerpflichtigen zu einer pünktlichen Erklärungsabgabe anzuhalten, vermehrt in ihren Fokus rücken und häufiger von ihr angewandt werden.

Verhältnis Verspätungszuschlag, Zwangsgeld und Schätzung der Besteuerungsgrundlagen: Nicht nur die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, sondern der Verspätungszuschlag und das Zwangsgeldverfahren sind die Instrumente, die der Finanzbehörde hierfür zur Verfügung stehen.

Der Verspätungszuschlag weist einen sowohl präventiven als auch repressiven Charakter auf und soll den Steuerpflichtigen zu einer künftigen fristgerechten Abgabe der Steuererklärung anhalten. Die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes sollen die Angabe der Steuererklärung vom säumigen Steuerpflichtigen erzwingen. Beide Instrumente können nicht nur miteinander, sondern auch mit der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen kombiniert werden. Während dies beim Verspätungszuschlag die Regel darstellt, erfolgt die Kombination mit dem Zwangsgeld in der Praxis eher selten, weil das doch sehr aufwändige Zwangsgeldverfahren auf Fallkonstellationen beschränkt wird, die einer Schätzung nicht oder nicht ohne Weiteres zugänglich sind.

2. Verspätungszuschlag

a) Gesetzliche Regelung

Der Verspätungszuschlag, der bei verspäteter Abgabe oder Nichtabgabe der Steuererklärung festgesetzt wird, ist in § 152 AO geregelt. Diese Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.7.2016 umfassend reformiert; insb. wurden die frühere Ermessensentscheidung durch eine weitgehend gebundene Entscheidung ersetzt und die Regelungen zur Höhe des Verspätungszuschlages neugestaltet. Die Neuregelung ist grundsätzlich für Steuererklärungen für Veranlagungszeiträume ab einschließlich 2018 anzuwenden.

b) Bedeutung

Der Verspätungszuschlag ist eine steuerliche Nebenleistung i.S.d. § 3 Abs. 4 AO. Er fungiert einerseits als Druckmittel, das der Sicherung eines ordnungsgemäßen Veranlagungsverfahrens dient (BFH v. 11.6.1997 – X R 14/95, BStBl. II 1997, 642; BFH v. 23.9.2009 – XI R 56/07, BFH/NV 2010, 12 = AO-StB 2010, 7; Rätke in Klein, AO, 16. Aufl. 2022, § 152 Rz. 5). Er soll andererseits aber auch dem Ausgleich der aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Vorteile dienen (BFH v. 22.1.1993 – III R 92/89, BFH/NV 1993, 455; Klein, AO, § 152 Rz. 5). Der Verspätungszuschlag hat dementsprechend nicht nur präventiven, sondern auch repressiven Charakter und knüpft insoweit an ein in der Vergangenheit liegendes schuldhaftes Verhalten an (BFH v. 26.6.2002...

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