Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Ein Antrag zur Istbesteuerung gem. § 20 Abs. 1 UStG kann auch konkludent gestellt werden, z. B. durch Abgabe einer Umsatzsteuererklärung. Dies kann jedoch nur dann gelten, wenn für das Finanzamt deutlich erkennbar ist, dass die Umsätze auf Grundlage der tatsächlichen Einnahmen erklärt worden sind. Beendet der Steuerpflichtige seine unternehmerische Tätigkeit und nimmt später eine neue Tätigkeit auf, ist für diese neue Tätigkeit ein erneuter Antrag auf Istbesteuerung zu stellen.
Sachverhalt
Eine vom Kläger ab 1985 betriebene Beratungsagentur endete im Jahr 1987 laut dem zuständigen Bezirksamt mit einer Betriebsaufgabe. Für 1985 bis 1987 unterlag der Kläger der sog. umsatzsteuerlichen Istbesteuerung.
Ab 1998 erfasste der Kläger in seiner Umsatzsteuererklärung Einkünfte aus Vermietung und Unternehmensberatung aus der Firma A. Für 1999 bis 2002 erklärte er lediglich Einkünfte aus umsatzsteuerpflichtiger Vermietung. In Prüfungsberichten des Finanzamts für 1999 sowie für 2001 und 2002 vermerkte der Prüfer, dass der Kläger seine Umsätze gemäß Sollbesteuerung zu versteuern habe. Das 2007 eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers wurde 2013 aufgehoben.
Ab 2010 gab der Kläger keine Umsatzsteuererklärungen und für 2015 und 2016 auch keine Einkommensteuererklärung ab. Laut einer Kontrollmitteilung stellte der Kläger jedoch in den Streitjahren 2012, 2014 und 2015 dem Unternehmen B Beratungsleistungen in Rechnung. Auf Grundlage der an die B gestellten Rechnungen erließ das Finanzamt gegenüber dem Kläger im Jahr 2020 Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre mit Besteuerung nach vereinbartem Entgelt.
Nach Auffassung des Klägers gelte für die Streitjahre jedoch die Istbesteuerung. Deshalb sei Umsatzsteuer für die Streitjahre nicht entstanden, da die seit 2018 in Insolvenz befindliche B die ihr gestellten Rechnungen nicht beglichen habe. Auch ergebe sich eine erneute konkludente Zustimmung des Finanzamts zur Istbesteuerung durch die Schätzungsbescheide des Finanzamts für 2015 und 2016 vom 12.3.2018.
Entscheidung
Die Umsatzsteuer-Schätzungsbescheide 2012, 2014 und 2015 sind rechtmäßig. Das Finanzamt hat die Umsätze des Klägers gegenüber der B anhand der gestellten Rechnungen zutreffend nach vereinbarten Entgelten versteuert.
Notwendig für den Wechsel von der Sollbesteuerung zur Istbesteuerung ist u. a. ein Antrag, aufgrund dessen das Finanzamt die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten durch formlosen Verwaltungsakt gestattet hat. Stellt der Unternehmer sein Unternehmen ein, wird eine ihm erteilte Gestattung gegenstandslos. Bei Aufnahme einer neuen unternehmerischen Betätigung bedarf es eines neuen Antrags und der entsprechenden Genehmigung. Beides lag für den Kläger in den Streitjahren nicht vor. Nach Auffassung des Gerichts hat der Kläger spätestens durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2007 jegliche – gegenüber dem Finanzamt erklärte – unternehmerische Betätigung eingestellt. So hat seine unternehmerische Tätigkeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens laut den Einkommensteuererklärungen des Klägers in der umsatzsteuerpflichtigen Vermietung bzw. für 2013 und 2014 in lediglich nichtselbstständiger Tätigkeit bestanden. Die Beratungstätigkeit des Klägers endete nach der Mitteilung des Bezirksamts Hamburg im Jahr 1987 durch Betriebsaufgabe. Ab 2010 hat der Kläger auch keine Umsatzsteuererklärungen mehr eingereicht.
Vorliegend fehlt es an einer späteren – konkludenten – erneuten Genehmigung eines Antrags auf Istbesteuerung. Zwar kann der (erneute) Antrag auf Istbesteuerung auch konkludent gestellt werden, z. B. wenn die Umsätze laut Umsatzsteuererklärung mit den tatsächlichen Einnahmen in der Einnahmenüberschussrechnung übereinstimmen (in Korrelation stehen). Dies muss aber für das Finanzamt deutlich erkennbar sein.
Eine klare und eindeutige o. g. Korrelation zwischen einer Einnahmenüberschussrechnung und einer Umsatzsteuererklärung des Klägers ist jedoch nicht gegeben. Im Gegenteil – die Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen sind spätestens seit dem Jahr 1998 intransparent und nicht mehr in Deckung zu bringen. Erklärte Umsätze in einer konsolidierten, alle unternehmerischen Betätigungen des Klägers umfassenden Umsatzsteuererklärung und die im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung erklärten und teilweise durch Bilanzierung ermittelten Betriebseinnahmen lassen schon kaum eine summarische Umsatzsteuerverprobung zu; erst recht ergibt sich aus ihnen weder ein konkludenter Antrag auf Istbesteuerung, noch dessen Genehmigung. Gegen eine gestattete Istbesteuerung sprechen zudem die vom Finanzamt in diesem Zeitraum durchgeführten Außenprüfungen. In den Prüfungsberichten hat der Prüfer jeweils vermerkt, dass der Kläger der Sollbesteuerung unterliege. Dem hat der Kläger nicht widersprochen.
Hinweis
Das FG hat die Revision beim BFH nicht zugelassen. Insoweit verbleibt es dem Kläger im Rahmen der Sollbesteuerung für die auf die Streitjahre folgende Zeit bei tatsächlicher Nichtbezahlung der Rechnungen durch de...