Leitsatz
Die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos ist ungeachtet unterjähriger Zugänge zum steuerlichen Einlagekonto auf den zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres festgestellten positiven Bestand des Kontos begrenzt.
Normenkette
§ 27 Abs. 1 und 2, Abs. 5 Satz 4 KStG 2002 i.d.F. d. SEStEG
Sachverhalt
Alleingesellschafter der Klägerin, einer GmbH, ist eine AG, die R AG. Das Eigenkapital der Klägerin belief sich zum 31.12.2006 laut Steuerbilanz auf 28.712 EUR und das steuerliche Einlagekonto auf 0 EUR. Mit Wirkung zum 15.2.2007 legte die R AG ihre Anteile an einer Beteiligungsgesellschaft, der D GmbH, nebst einem fälligen Anspruch auf Zahlung von Dividende zu einem Wert von rd. 135 Mio. EUR in die Klägerin ein.
Die eingelegten Anteile an der D GmbH wurden von der Klägerin sodann zu diesem Wert als Kaufpreis und mit Wirkung ebenfalls zum 15.2.2007 veräußert. Im weiteren Verlauf des Streitjahres tätigte sie aufgrund eines Beschlusses vom 7.2.2007 eine Ausschüttung in Höhe von rd. 53 Mio. EUR (Zahlung am 12.3.2007) sowie aufgrund eines weiteren Beschlusses vom 30.6.2007 eine Vorabausschüttung für das Geschäftsjahr 2007 i.H.v. rd. 53 Mio. EUR (Zahlung am 20.7.2007).
Das FA stellte das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2007 mit rd. 140 Mio. EUR gesondert fest. Dabei wurden als Zugänge zum steuerlichen Einlagekonto die Einlage der Anteile der D GmbH und der Dividendenanspruch (erhöhend) ausgewiesen, die beiden Ausschüttungen hingegen nicht (mindernd) als eine Verwendung des Einlagekontos berücksichtigt, da eine unterjährige Verwendung des durch die Einlage erfolgten Zugangs zum steuerlichen Einlagekonto für die Ausschüttungen nicht zulässig sei.
Die anschließende Klage vor dem FG (Hessisches FG, Urteil vom 30.3.2011, 4 K 2353/10, Haufe-Index 2692544) blieb ebenso erfolglos ...
Entscheidung
… wie die anschließende Revision vor dem BFH: Letzten Endes erzwängen tragfähige Gründe der Verwaltungspraktikabilität eine Regelungsauslegung, die es ausschließe, unterjährig erbrachte Zuführungen einzubeziehen. Eine solche Auslegung stehe im Einklang mit dem Regelungstext und der Regelungssystematik.
Hinweis
Der BFH hatte ein weiteres Mal über die komplexen Fragen zu entscheiden, die sich aus der Verwendung des steuerlichen Einlagekontos nach Maßgabe des § 27 KStG ergeben. In den Regelungen dieser Vorschrift sind vielfache Fallstricke enthalten, die es zu beachten gilt. Die Entscheidung ist deswegen für die Praxis außerordentlich bedeutsam.
1. Um das zu verdeutlichen, sei ein Blick auf die Wirkungen des steuerlichen Einlagekontos vorangestellt. Dafür ist zum einen zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter und sodann – zum anderen – auch noch nach der Gesellschaftsstruktur zu unterscheiden:
- Bei der Gesellschaft ist die Auskehrung von Einlagen an die Gesellschafter steuerneutral. Insbesondere ist hierfür keine KapESt einzubehalten (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 EStG).
- Beim Gesellschafter kommt es darauf an, ob es sich um eine natürliche oder um eine juristische Person handelt.
Die natürliche Person wird nur dann "belangt", wenn sie i.S.v. § 17 EStG qualifiziert beteiligt ist oder wenn sie die Beteiligung im BV hält. In beiden Situationen unterfällt entweder der die Anschaffungskosten der Beteiligung oder der den Buchwert übersteigende Betrag dem Teileinkünfteverfahren, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c Satz 3 (i.V.m. § 17 Abs. 4 Satz 1) EStG einerseits und § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG andererseits. Andernfalls sind Auskehrungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nicht steuerbar, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG.
Handelt es sich beim Anteilseigner um eine Körperschaft, ist in dem mit dem Beteiligungsbuchwert verrechenbaren Umfang keine steuerbare Vermögensmehrung gegeben. Gesichert ist unbeschadet mancher Mutmaßung allerdings nach wie vor nicht, ob die Einlagenrückgewähr in jenem Umfang, in dem sie den Beteiligungsbuchwert überschreitet, gem. § 8b Abs. 2 KStG unmittelbar (so wohl die Finanzverwaltung) oder aber erst in Gestalt späterer Veräußerungsgewinne außer Ansatz bleibt. Es spricht einiges (und mehr) für die letztere Sicht der Dinge: Die veräußerungsgleichen Fälle sind in § 8b Abs. 2 Satz 3 KStG abschließend aufgeführt und die Nennkapitalrückzahlung gehört dazu – abweichend von § 17 Abs. 4 EStG – gerade nicht. Das Gesetz ist insofern unmissverständlich. Insofern sei auf die Praxis-Hinweise in BFH/PR 2010, 136 zum BFH-Urteil vom 28.10.2009, I R 116/08 (BFH/NV 2010, 549, BStBl II 2011, 898) verwiesen.
2. Ausschlaggebend dafür, ob die skizzierten Konsequenzen eintreten, ist aus maßgebender steuerlicher Sicht der Bestand des steuerlichen Einlagekontos. Dieser Bestand allein entscheidet über Sein oder Nichtsein sowohl einer KapESt-Abzugs- und Einbehaltungspflicht bei der Gesellschaft als auch der Vereinnahmung von Dividenden beim Gesellschafter.
a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG haben unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahres auf ...