Leitsatz
Verzichtet der alleinige Gesellschafter einer GmbH wegen verschlechterter Gewinnsituation der Gesellschaft auf das vereinbarte Geschäftsführergehalt, jedoch nicht auf die ihm zugesagte Gewinntantieme, so führt die "stehen gelassene" Tantieme jedenfalls dann zur Annahme einer vGA, wenn sie weder zeitlich noch betragsmäßig begrenzt wird.
Normenkette
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine 1977 gegründete GmbH mit einem Stammkapital von 200 000 DM. In den Wirtschaftsjahren ab 1985 erwirtschaftete sie laufend Verluste. Ihre Verbindlichkeiten waren Ende 1989 nur teilweise und nur durch Umlaufvermögen gedeckt. Ihre Überschuldung hätte allein durch Realisierung stiller Reserven aus dem Grundstücksanlagevermögen ausgeglichen werden können. Aufgrund dieser Verlustsituation nahm sie im Jahr 1990 Umstrukturierungsmaßnahmen vor.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung zahlte die Klägerin ihrem Geschäftsführer für dessen Tätigkeit vom 1.10.1978 an aufgrund des ursprünglichen Anstellungsvertrages ein monatliches Festgehalt von 7 500 DM und eine Tantieme. Ab dem 1.7.1990 wurde dieser Anstellungsvertrag durch einen neuen Vertrag vom 20.3.1990 ersetzt. Der Geschäftsführer erhielt hiernach keine monatliche Vergütung mehr, jedoch weiterhin eine Tantieme in Höhe von 50 % des körperschaftsteuerlichen Einkommens.
In 1992 erzielte die Klägerin bei Umsatzerlösen von knapp 4 Mio. DM einen Jahresüberschuss von 1 575 410 DM vor Tantieme. Daraus ergab sich nach einem Verlustabzug von 1 143 609 DM ein körperschaftsteuerliches Einkommen von 431 801 DM als Bemessungsgrundlage der Tantieme. Das FA sah in der hierfür gebildeten Rückstellung eine vGA.
Entscheidung
Anders als das FG (EFG 1999, 727) gab der BFH dem FA recht: Zwar möge es vernünftig, sachgerecht oder sogar aus Gründen der Treuepflicht geboten gewesen sein, die Geschäftsführervergütung den wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. Das habe auch durch einen vorübergehenden Gehaltsverzicht bewerkstelligt werden können.
Die fortbestehende Gewinnbeteiligung über die Tantieme führe jedoch letztlich zur Gewinnabsaugung. Es handele sich hierbei im Effekt um eine Erfolgsprämie, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter den gegebenen Umständen nicht ausloben würde.
Er würde sich nicht darauf einlassen, bei dem erhofften, aber alsbald nicht erwarteten Eintritt des Erfolgs – der wirtschaftlichen Gesundung der GmbH – die wiedererlangte Leistungsfähigkeit auf Dauer zur Hälfte mit dem Alleingesellschafter-Geschäftsführer teilen zu müssen und damit einen Gutteil dieser Leistungsfähigkeit wieder zunichte zu machen. Er würde jedenfalls auf eine zeitliche und betragsmäßige Begrenzung hinwirken.
Die grundsätzliche (auch kurzfristige) Kündbarkeit des Anstellungsvertrags lasse diese Beurteilung unberührt, wenn der Begünstigte die Dinge als Alleingesellschafter in der Hand habe und es in seinem Belieben stehe, ob und wann die Vergütung ihrer Höhe und Zusammensetzung nach an die allgemein geltenden Regeln angepasst werde. In Anbetracht dessen sei die stehen gelassene Tantieme keine ernst gemeinte Vergütung, vielmehr eine vorweggenommene offene Gewinnausschüttung.
Hinweis
1. Es war schon ein besonderer, aber auch nicht ganz unüblicher Sachverhalt, um den es im Urteilsfall ging (s. im Einzelnen die nachfolgende Falldarstellung): Der GmbH ging es wirtschaftlich schlecht, ihr alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer, ein nicht mehr ganz so junger Mann, wollte sein "Lebenswerk" am Leben halten. Deshalb suchte er neue Betätigungsfelder, strukturierte um – und verzichtete auf sein laufendes Gehalt, verfügte er doch über hinreichende private Rücklagen. Er schloss dafür einen neuen Geschäftsführervertrag ab, der den bisherigen ablöste. Gleichwohl blieb an sich alles so, wie es war, vor allem die dreimonatige Kündigungsfrist – und eben auch die seinerzeit versprochene 50%ige Gewinntantieme. Als die angestrengten Bemühungen fruchteten und das Unternehmen alsbald wieder "lief", resultierte daraus ein schöner Batzen an Ansprüchen. FA und BFH behandelten diesen als verschleierte offene Gewinnausschüttung.
2. Daraus ergibt sich an Merkposten für die Gestaltungspraxis: (1.) Ggf. sollte der Geschäftsführer in Zeiten wirtschaftlicher Not der Kapitalgesellschaft nicht nur mit einer Gehaltsanpassung einverstanden sein, er wird dies oftmals sogar müssen. Dazu zwingt ihn dann die besondere Treuepflicht, der er auch als Fremd-Geschäftsführer unterworfen ist. Vgl. dazu § 87 Abs. 2 AktG, das BGH-Urteil vom 15.6.1992, II ZR 88/91 (DStR 1992, 1443) und die ausführlichen Praxis-Hinweise zum BFH-Urteil vom 8.11.2000, I R 70/99 in BFH-PR 2001, 182, dort unter 2.
(2.) Diese Gehaltsanpassung kann auch ein vorübergehender Verzicht auf das laufende Gehalt sein. Allerdings: Ebenso wie im Fall eines Unternehmens in der Aufbauphase (vgl. dazu BFH-Urteile vom 15.3.2000, I R 74/99, BStBl II 2000, 267, und I R 73/99, BFH/NV 2000, 1245) muss eine bei einer solchen Gehaltsanpassung durch Verzicht stehen gel...