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[Autor/Stand] Längerfristiger Trend zu Transparenz und Offenlegung. Die Einführung der Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen fügt sich in eine größere, seit wenigstens zwei Jahrzehnten andauernde Entwicklung mit dem Ziel der Erhöhung der Transparenz hinsichtlich grenzüberschreitender Sachverhalte. So haben die weltweiten Fisci wie auch internationale Institutionen, bspw. die OECD und die EU, Steuervermeidungsstrategien international tätiger Konzerne als unerwünschten Missstand identifiziert.[2] Neben der Vereinheitlichung bestehender (Offenlegungs-)Regelungen und materiell-rechtlicher Verschärfungen, die ebenfalls international einheitlich umgesetzt werden sollen, soll diesem Missstand durch die Schaffung größtmöglicher Transparenz des Steuerpflichtigen gegenüber den Finanzbehörden begegnet werden. Dies hat dazu geführt, dass – in Deutschland wie auch international – die Mitwirkungs-, Aufzeichnungs- und Anzeigepflichten grenzüberschreitend tätiger Unternehmen deutlich erweitert und vereinheitlicht wurden. Konkret sind in diesem Zusammenhang die Vorschriften zur Dokumentation von Verrechnungspreisen zu nennen. Diese wurden in Deutschland im Jahr 2003 mit dem Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen eingeführt;[3] im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008[4] ergänzt und im Jahr 2016 in Umsetzung der einschlägigen OECD-Empfehlungen ausgeweitet und damit international vereinheitlicht.[5] Im Zuge dessen wurde zudem die Pflicht zum sog. länderbezogenen Bericht (Country-by-Country-Reporting) eingeführt.[6]

Die nun geltende Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen ist als vorerst jüngster, aber wohl nicht letzter Schritt dieser Entwicklung zu sehen. So wird der Regierungsentwurf des Gesetzes mit dem Befund gerechtfertigt, dass Steuergestaltungen immer ausgefeilter würden und sich häufig die höhere Mobilität von Kapital, Personen und immateriellen Werten zunutze machten. Bei grenzüberschreitenden Strukturen würden regelmäßig die Unterschiede der Steuerrechtsordnungen mehrerer Staaten ausgenutzt. Damit könnten die steuerpflichtigen Gewinne in Staaten mit vorteilhafteren Steuersystemen verlagert oder die Gesamtsteuerbelastung der Steuerpflichtigen verringert werden. Infolgedessen käme es häufig zu einem beträchtlichen Rückgang der Steuereinnahmen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Diesem Problem – und das ist das Besondere an dieser Mitteilungspflicht – soll durch eine ganz besonders zeitnahe Information der Finanzbehörden begegnet werden. Damit besteht der Zweck der Mitteilungspflicht nicht allein in einer veranlagungsunterstützenden Funktion, indem die Finanzbehörden zur Prüfung einer konkreten grenzüberschreitenden Steuergestaltung und ggf. deren steuerlicher Korrektur befähigt werden. Zudem sollen über die Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen mögliche Lücken in den bestehenden Rechtsvorschriften identifiziert und mittels (kurzfristiger) gesetzgeberischer Maßnahmen geschlossen werden können (rechtspolitische Funktion).[7] Der Mitteilende wird damit zum (unfreiwilligen) Gehilfen und Ideengeber des Gesetzgebers. Schließlich wird den Mitteilungspflichten auch eine gewisse abschreckende Funktion zugesprochen, um Nutzer und Intermediäre von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen abzuhalten.[8]

[Autor/Stand] Autor: Engelen, Stand: 01.08.2022
[2] Siehe auch Bärsch/Engelen/Färber, DB 2016, 972.
[3] Steuervergünstigungsabbaugesetz v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660 = BStBl. I 2003, 321.
[4] Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912 = BStBl. I 2007, 630.
[5] Vgl. nur Bärsch/Engelen/Färber, DK 2016, 338.
[6] Vgl. Kraft/Heider, DStR 2017, 1353.
[7] Vgl. RegE v. 10.10.2019, BR-Drucks. 489/19, 18, vgl. § 138d AO Anh. 1 Rz. 3. Siehe auch Grotherr in Gosch, § 138d AO Rz. 3 f. (Stand: September 2021).
[8] Vgl. Grotherr in Gosch, § 138d AO Rz. 5 (Stand: September 2021).

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