Leitsatz

Auch nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht können vorab entstandene vergebliche Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige sie tätigt, um sich aus einer gescheiterten Investition zu lösen und so die Höhe der vergeblich aufgewendeten Kosten zu begrenzen. Der durch die Absicht der Einkünfteerzielung begründete Veranlassungszusammenhang wirkt fort, solange er nicht durch eine der privaten Vermögenssphäre zuzuweisende neue Veranlassung überlagert wird.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Die Kläger schlossen im Jahr 1994 einen notariellen Vertrag über den Erwerb einer noch zu errichtenden Eigentumswohnung, die sie zum Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzen wollten. Wegen unvollständiger und mangelhafter Leistung des Bauträgers führten sie einen Zivilprozess mit dem Antrag festzustellen, dass der Bauträger nicht berechtigt sei, aus der notariellen Urkunde Zahlungsansprüche geltend zu machen. Nach erfolglosem erstinstanzlichem Verfahren schlossen sie im Berufungsverfahren auf Anraten des Gerichts einen Vergleich, in dem der Vertrag wegen des Rücktritts der Kläger aufgehoben wurde und diese an den Bauträger 60.000 DM zu zahlen hatten.

Das FA ließ die von den Klägern als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachten 66.692 DM (Vergleichszahlung 60.000 DM; Rechtsverfolgungskosten 6.692 DM) nicht zum Abzug zu. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Dagegen richtet sich die Revision der Kläger.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des BFH sind die strittigen Aufwendungen dem Grund nach als vorab entstandene vergebliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Sie seien getätigt worden, um die gescheiterte Investition zu beenden. Ein die ursprüngliche Veranlassung überlagernder neuer Zusammenhang sei vom FG weder festgestellt noch sonst ersichtlich.

 

Hinweis

1. Werbungskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG können schon anfallen, wenn mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung vorab entstandener Werbungskosten ist jedoch, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Voraussetzung dafür sind objektive Umstände für den endgültigen Entschluss des Steuerpflichtigen, Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen; die Erfolglosigkeit der Aufwendungen schließt dann ihre Abziehbarkeit als Werbungskosten nicht aus, weil sie bei bestimmungsgemäßer Verwendung in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stünden (BFH, Urteil vom 4.3.1997, IX R 29/93, BStBl II 1997, 610, m.w.N.).

2. Auch nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht können vorab entstandene vergebliche Werbungskosten weiter abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige sie – nachdem er das Scheitern seiner Investition erkannt hat – tätigt, um sich aus der vertraglichen Verbindung zu lösen und so die Höhe der vergeblich aufgewendeten Kosten zu begrenzen (BFH, Beschluss vom 5.11.2001, IX B 92/01, BFH-PR 2002, 95).

3. Prozesskosten teilen als Folgekosten die einkommensteuerrechtliche Qualifikation derjenigen Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren (vgl. BFH, Urteil vom 17.5.2000, X R 13/97, BStBl II 2000, 665).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 15.11.2005, IX R 3/04

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