Leitsatz
Ein Besitzunternehmer beherrscht die Betriebskapitalgesellschaft auch dann personell, wenn er zwar über die einfache Stimmrechtsmehrheit und nicht über die im Gesellschaftsvertrag vorgeschriebene qualifizierte Mehrheit verfügt, er aber als Gesellschafter-Geschäftsführer deren Geschäfte des täglichen Lebens beherrscht, sofern ihm die Geschäftsführungsbefugnis nicht gegen seinen Willen entzogen werden kann (Fortführung des Senatsurteils vom 21.8.1996, X R 25/93, BStBl II 1997, 44).
Normenkette
§ 15 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer der X-GmbH, an deren Stammkapital er zu 70 % und Frau S mit 30 % beteiligt waren. Der Kläger vermietete der GmbH ein Grundstück, auf dem die GmbH ihr Geschäft betrieb.
Nach der Satzung der GmbH wurden Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich mit einer Mehrheit von 75 % gefasst. Satzungsänderungen und sonstige Grundlagengeschäfte sowie bestimmte außergewöhnliche Geschäfte bedurften eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses.
Das FA nahm entgegen der Ansicht des Klägers zwischen diesem (Besitzunternehmer) und der GmbH (Betriebsgesellschaft) eine Betriebsaufspaltung an. FG (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.1.2004, 2 K 1883/02) und BFH bestätigten die Verwaltungsentscheidung.
Entscheidung
Das FG habe zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorgelegen hätten. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger in der Gesellschafterversammlung nur über die einfache Mehrheit, nicht dagegen über die in der Satzung vorgesehene qualifizierte Mehrheit von 75 % verfügt habe. Für eine personelle Beherrschung der Betriebskapitalgesellschaft genüge die Herrschaft des Gesellschafter-Geschäftsführers über die sog. Geschäfte des täglichen Lebens, wenn ihm die Geschäftsführung nicht gegen seinen Willen entzogen werden könne.
So liege es im Streitfall. Für die vom Kläger als Geschäftsführer vorzunehmenden Geschäfte des täglichen Lebens sei ein Gesellschafterbeschluss nicht erforderlich gewesen. Auch habe ihm nach der Satzung der GmbH die Geschäftsführungsbefugnis nur bei Vorliegen eines wichtigen Grunds entzogen werden können. Im Übrigen habe er, weil er über die einfache Stimmrechtmehrheit verfügt habe, einen (mit qualifizierter Mehrheit zu treffenden) Beschluss über seine Abberufung als Geschäftsführer verhindern können.
Hinweis
Für die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung notwendige personelle Verflechtung ist – abgesehen vom Sonderfall der faktischen Beherrschung – erforderlich, dass der Gesellschafter nach den gesellschaftsrechtlichen Stimmverhältnissen in der Lage ist, seinen Willen durchzusetzen. Eine personelle Beherrschung der Betriebsgesellschaft durch den Besitzunternehmer ist dann anzunehmen, wenn dieser auf Dauer gesehen mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts die Geschäfte des täglichen Lebens der Betriebsgesellschaft beherrscht. Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer, dem die Geschäftsführung nicht gegen seinen Willen entzogen werden kann, ist hierzu erforderlich, aber auch ausreichend, dass er über eine Beschlussmehrheit nach § 47 Abs. 1 GmbHG verfügt. Dies gilt auch dann, wenn der Gesellschaftsvertrag in besonderen Fällen einstimmige Beschlüsse oder eine qualifizierte Mehrheit vorschreibt (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 27.8.1992, IV R 13/91, BStBl II 1993, 134).
Die Beherrschung der Geschäfte des täglichen Lebens durch den Gesellschafter-Geschäftsführer ist auf Dauer gewährleistet, wenn ihm die Geschäftsführerstellung nicht gegen seinen Willen entzogen werden kann. Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn ihm die Geschäftsführung zeitlich unbefristet erteilt worden ist. Bei Gesellschafterbeschlüssen, welche die Bestellung oder Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers betreffen (§ 46 Nr. 5 GmbHG) ist der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht gem. § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen (BGH, Beschluss vom 25.9.1989, II ZR 304/88, BB 1989, 2132).
Verfügt daher ein Gesellschafter-Geschäftsführer über die einfache Stimmrechtsmehrheit, so kann er einen Beschluss der Gesellschafterversammlung über seine Abberufung grundsätzlich verhindern.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.11.2005, X R 56/04