Nach aktueller Rechtslage können Mitgliedstaaten eine Verlagerung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger vorsehen – soweit die Leistung nicht bereits unter die Regelung der Art. 44, Art. 196 MwStSystRL fallen –, wenn die steuerpflichtige Lieferung oder Dienstleistung von einem Steuerpflichtigen bewirkt wird, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird.
Geplante Maßnahmen zum 1.1.2025: Um die Zahl der Fälle zu reduzieren, in denen eine Registrierung in einem Mitgliedstaat, in dem eine inländische steuerpflichtige B2B-Leistung bewirkt wird, notwendig ist, möchte die Europäische Kommission im Rahmen der zweiten Stufe zum 1.1.2025 die Mitgliedstaaten verpflichten, die Anwendung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft zu akzeptieren, wenn die Leistung von einem Steuerpflichtigen bewirkt wird, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird, und der Leistungsempfänger bereits in dem Mitgliedstaat eine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer hat. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass in solchen Konstellationen der Lieferer, der nicht in diesem Mitgliedstaat erfasst ist, sich dort nicht mehr registrieren lassen muss. Damit eine angemessene Nachverfolgung der Gegenstände gewährleistet werden kann, sollen solche Leistungen in der ZM aufzuführen sein.
Die Anwendung des Reverse-Charge-Mechanismus obliegt ausschließlich dem leistenden Steuerpflichtigen. Wie dieser zur Verlagerung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger "optiert", ist nicht geregelt. Es spricht u.E. viel dafür, dass die Option (nur oder auch) durch entsprechende Angaben in der Rechnung erfolgen wird. Insofern zukünftig verkürzte Rechnungspflichten gelten (s. nächster Absatz), könnte sich dann z.B. die Frage stellen, ob bei einer zeitlich späteren Abrechnung noch wirksam optiert werden kann. Ein solches Erfordernis wäre sehr problematisch bzw. zweifelhaft angesichts der möglichen Verkürzung der Frist auf zwei Tage zum 1.1.2028 (s. dazu nachfolgend).
Ferner gehen wir davon aus, dass der leistende Steuerpflichtige die Option für jeden einzelnen Umsatz gesondert ausüben kann. Soweit der Steuerpflichtige vorsteuerbelastete Eingangsleistungen in dem jeweiligen Mitgliedstaat bezieht, mag es für diesen unter Umständen jedoch vorteilhaft sein, auf die Option zu verzichten und insofern eine Registrierung in dem Mitgliedstaat zu erreichen, um gegebenenfalls hinsichtlich der Vorsteuer nicht auf die Anwendung des Vorsteuervergütungsverfahren angewiesen zu sein. Ist der Steuerpflichtige aufgrund anderer Transaktionen bereits in dem Mitgliedstaat registriert, könnte die Option zur Verlagerung der Steuerschuld ggf. zu einem Vorsteuerüberhang führen, so dass sich in solchen Fällen ebenfalls ein Verzicht auf die Option empfehlen könnte, um Diskussionen mit der Betriebsprüfung zu vermeiden.
Verkürzung der Rechnungstellungspflicht: Im Rahmen der 2. Stufe soll ferner zum 1.1.2025 für Leistungen, die unter Ausübung der Option der Verlagerung der Steuerschuld auf den Empfänger unterliegen, die Rechnung spätestens am 15. Tag des Monats auszustellen sein, welcher auf den Monat der Lieferung oder der Dienstleistungserbringung folgt. Dies soll es dem Leistungsempfänger ermöglichen, seinen neuen Meldepflichten für die ZM nachzukommen. Im Rahmen der vierten Stufe der vorgeschlagenen Maßnahmen zum 1.1.2028 soll eine Rechnungstellungsfrist von zwei Tagen nach Eintreten des Steuertatbestands für die Ausstellung der Rechnung in diesen Fällen eingeführt werden. Gleichzeitig soll die Verpflichtung zur Abgabe der ZM vollständig abgeschafft werden. Die ZM wird für entbehrlich gehalten angesichts des dann neuen Meldesystems und des Konzepts der Echtzeit-Informationen.