BMF, Schreiben vom 12.4.2022, III C 2 – S 7300/20/10001 :005 (DOK 2022/0384459), BStBl I 2022, 650
Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 11. November 2015, V R 8/15
Der BFH hat mit Urteil vom 11. November 2015, V R 8/15, BStBl 2022 II S. xxx, entschieden, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nach den EuGH-Urteilen vom 29. April 2004, C-137/02, Faxworld, und vom 1. März 2012, C-280/10, Polski Trawertyn, auch im Zusammenhang mit Übertragungsvorgängen auf Gesellschaften bestehen könne (Rn. 13 bis 17). Die vom Kläger bezogenen Beratungsleistungen seien aber – anders als die Vermögensgegenstände in den Sachverhalten der EuGH-Urteile Faxworld und Polski Trawertyn – auch im Fall einer tatsächlich gegründeten GmbH nicht auf die GmbH übertragbar gewesen. Durch sie seien keine auf eine GmbH übertragbaren Vermögenswerte („Investitionsgüter”) entstanden (Rn. 20). Der Gesellschafter einer noch zu gründenden GmbH könne im Hinblick auf eine beabsichtigte Unternehmenstätigkeit der GmbH aber nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn der Leistungsbezug durch den Gesellschafter bei der GmbH zu einem Investitionsumsatz führen soll (Rn. 12).
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird hierzu folgende Auffassung vertreten:
Leistet ein Gesellschafter bzw. eine Vorgründungsgesellschaft bezogene Leistungen im Rahmen eines eigenen umsatzsteuerlichen Unternehmens an die Gesellschaft weiter, z. B. über eine Geschäftsveräußerung im Ganzen, richtet sich der Vorsteuerabzug aus den bezogenen Leistungen nach den allgemeinen Grundsätzen. Unter Berücksichtigung der im BFH-Urteil V R 8/15genannten EuGH-Rechtsprechung kann einem Gesellschafter bzw. einer Vorgründungsgesellschaft unter den übrigen Voraussetzungen der Vorsteuerabzug auch aus einer bezogenen Leistung zustehen, die der Gesellschaft später außerhalb eines Leistungsaustauschs zuwächst (z. B. Weiterleistung durch einen ansonsten nicht unternehmerisch tätigen Gesellschafter). Voraussetzung ist, dass es sich aus Sicht der (geplanten) Gesellschaft um einen Investitionsumsatz handelt und die beabsichtigte Tätigkeit der Gesellschaft einen Vorsteuerabzug nicht ausschließt.
Unter den Begriff Investitionsumsatz fallen dabei Vermögenswerte (bezogene Lieferungen oder sonstige Leistungen), die der Gesellschafter (bzw. die Vorgründungsgesellschaft) tatsächlich an die Gesellschaft überträgt und die von dieser für ihre wirtschaftliche Tätigkeit genutzt werden. Der vom BFH verwendete erläuternde Klammerzusatz „Investitionsgüter” ist dabei nicht einschränkend so zu verstehen, dass er nur Wirtschaftsgüter umfasst, sondern kann auch sonstige Leistungen umfassen, sofern diese die Voraussetzungen für einen Investitionsumsatz erfüllen.
Der Gesellschafter ist durch den Investitionsumsatz in Bezug auf diesen ausnahmsweise und unter den übrigen Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dafür genügt es, dass die Eigenschaft des Gesellschafters als Unternehmer aus diesem Investitionsumsatz resultiert. Gleiches gilt, wenn der Investitionsumsatz zwar beabsichtigt ist, aber nur deshalb nicht tatsächlich erfolgt, weil eine geplante Gesellschaftsgründung scheitert. Auch in diesem Fall kann dem erfolglosen Gesellschafter bzw. der Vorgründungsgesellschaft der Vorsteuerabzug aus einem Investitionsumsatz zustehen.
Von einem Investitionsumsatz abzugrenzen sind bezogene Leistungen, die generell nicht an die Gesellschaft übertragen werden können (so der Sachverhalt im BFH-Urteil V R 8/15), sondern z. B. durch den Gesellschafter selbst genutzt oder verbraucht werden, oder die zwar von der Gesellschaft genutzt, aber nicht tatsächlich an sie übertragen werden (vgl. BFH-Urteil vom 26. August 2014, XI R 26/10, BStBl II 2021 S. 881, zum Erwerb eines Mandantenstammes durch den Gesellschafter einer Steuerberatungs-GbR).
Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom 1. Oktober 2010, BStBl 2010 I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 30. März 2022 – III C 2 – S 7100/20/10002: 001 (2022/0326186), BStBl 2022 I S. xxx, geändert worden ist, wird in Abschnitt 15.2b wie folgt geändert:
Absatz 3 wird wie folgt geändert:
- Die Sätze 8 und 9 werden gestrichen.
- Die bisherigen Sätze 10 bis 15 werden die neuen Sätze 8 bis 13.
- Nach Absatz 3 werden die Zwischenüberschrift „Leistungsbezug durch Vorgründungsgesellschaft oder Gesellschafter” und folgender Absatz 4 angefügt: „(4) 1Ein Gesellschafter oder eine zur Gründung einer Kapitalgesellschaft errichtete Personengesellschaft (sog. Vorgründungsgesellschaft), der bzw. die nach Gründung der Kapitalgesellschaft die bezogenen Leistungen in einem Akt gegen Entgelt an diese veräußert und andere Ausgangsumsätze von vornherein nicht beabsichtigt hatte, ist unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG zum Abzug der Vorsteuer für den Bezug von Dienstleistungen und Gegenständen ungeachtet dessen berechtigt, dass die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegen. 2Maßgebend sind ins...