Leitsatz
Eine zur Gründung einer Kapitalgesellschaft errichtete Personengesellschaft (sog. Vorgründungsgesellschaft), die nach Gründung der Kapitalgesellschaft die bezogenen Leistungen in einem Akt gegen Entgelt an diese veräußert und andere Ausgangsumsätze von vornherein nicht beabsichtigt hatte, ist zum Abzug der Vorsteuer für den Bezug von Dienstleistungen und Gegenständen ungeachtet dessen berechtigt, dass die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Maßgebend sind insoweit die beabsichtigten Umsätze der Kapitalgesellschaft.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Buchst. a UStG, , Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-RL, , Art. 6 Abs. 5 der 6. EG-RL, , § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG, , § 2 Abs. 1 UStG
Sachverhalt
Klägerin war eine GbR, deren einziger Zweck die Vorbereitung der Gründung der Firma F-AG (Vorgründungsgesellschaft) durch Anmietung und Ausstattung von Büroräumen, Werbung etc) war. Nach der Gründung stellte sie ihre Tätigkeit ein und übertrug in Erfüllung ihres Gesellschaftszwecks ihr Vermögen auf die neu gegründete AG.
Die Klägerin behandelte diesen Vorgang als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung und machte erfolglos die ihr für Vorbezüge in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Die Klage hatte Erfolg.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA – das meinte, nicht die Vorgründungsgesellschaft, sondern die Kapitalgesellschaft sei abzugsberechtigt – aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen zurück. Dass Vorsteuerbeträge für Eingangsleistungen abziehbar sind, mit denen ein anderer Unternehmer erst eine wirtschaftliche Tätigkeit ausführen soll, ist nur durch die spezifischen Umstände der Vorgründungsgesellschaft und die Sonderregelung in § 1 Abs. 1a UStG begründet. Mit dem Hinweis, eine andere natürliche oder juristische Person werde mit dem erworbenen Gegenstand demnächst steuerpflichtige Umsätze ausführen, wird der Vorsteuerabzug nicht eröffnet.
Hinweis
Dem Unternehmer steht unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug zu, wenn er zur Zeit des Leistungsbezugs die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, die Eingangsumsätze für steuerpflichtige Ausgangsumsätze zu verwenden. Zweifelhaft war, ob einer Vorgründungsgesellschaft der Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen zusteht, wenn sie selbst keine eigenen Umsätze beabsichtigt, vielmehr erst die zu gründende Kapitalgesellschaft die Geschäfte aufnehmen soll. Zweifelhaft deshalb, weil zivilrechtlich die Kapitalgesellschaft nicht Rechtsnachfolger der Vorgründungsgesellschaft ist und deshalb die Vermögensgegenstände, Rechte und Pflichten der Vorgründungsgesellschaft durch Rechtsgeschäft übertragen werden müssen – umsatzsteuerrechtlich eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG).
Dass nach nationalem Zivilrecht die Kapitalgesellschaft nicht als Rechtsnachfolgerin behandelt wird und deshalb die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit nicht von demselben Unternehmer ausgeübt wird, steht – ausnahmsweise – dem Vorsteuerabzug nicht entgegen. Um die Neutralität der Umsatzsteuer zu gewährleisten und mit Rücksicht darauf, dass umsatzsteuerrechtlich bei der nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung der Erwerber Rechtsnachfolger des Übertragenden ist (§ 1 Abs. 1 a UStG), kann die Vorgründungsgesellschaft die Vorsteuer auf ihre – für Zwecke der besteuerten Umsätze der zu gründenden Kapitalgesellschaft bezogenen – Eingangsleistungen abziehen. Das hat bereits der EuGH im zitierten Urteil (BFH-PR 2004, 276) entschieden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.7.2004, V R 84/99 (Nachfolgeentscheidung zum Urteil des EuGH vom 29.4.2004, Rs. C-137/02, – FA Offenbach am Main?Land gegen Faxworld Vorgründungsgesellschaft Peter Hünninghausen und Wolfgang Klein GbR –; BFH-PR 2004, 276).