Die nationale Mitteilungspflicht ist an die Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen angelehnt und übernimmt die wesentlichen Begriffe. Mitteilungspflichtig ist in erster Linie der sog. Intermediär, der eine innerstaatliche Steuergestaltung vermarktet, für Dritte konzipiert, organisiert oder zur Nutzung bereitgestellt oder ihre Umsetzung durch Dritte verwaltet.
Eine innerstaatliche Steuergestaltung ist gem. § 138l AO-E jede Gestaltung,
- die keine grenzüberschreitende Steuergestaltung ist,
- die eine Steuer vom Einkommen oder Vermögen, die Gewerbesteuer, die Erbschaft- oder Schenkungsteuer oder die Grunderwerbsteuer zum Gegenstand hat,
- die mindestens ein Kennzeichen (sog. Hallmarks) aufweist und
- von der ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Fakten und Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile die Erlangung eines steuerlichen Vorteils i.S.d. § 138d Abs. 3 Satz 1 AO ist, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes entsteht (sog. Main-Benefit-Test).
Die Mitteilungspflicht soll sich dabei auf Fälle beschränken, bei denen neben den o.g. Tatbestandsvoraussetzungen zusätzlich ein sog. nutzerbezogenes Kriterium (§ 138 I Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO-E) oder ein sog. gestaltungsbezogenes Kriterium (§ 138 I Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AO-E) erfüllt ist.
Beraterhinweis Zur eigenen Absicherung sollte stets ausreichend und nachvollziehbar dokumentiert werden, aus welchen Gründen eine Mitteilungspflicht abgelehnt wird. Da nur derjenige ordnungswidrig handelt, der vorsätzlich oder leichtfertig seine Mitteilungspflicht verletzt, § 379 Abs. 2 AO, kann eine Ordnungswidrigkeit nicht begehen, wer bei vertretbarer Auslegung des Gesetzestextes abweichend subsumiert.
1. Definition der Gestaltung
Der Begriff der Steuergestaltung ist gesetzlich nicht definiert. Nach der Gesetzesbegründung handelt es sich bei einer Steuergestaltung "um einen bewussten, das reale und/oder rechtliche Geschehen mit steuerlicher Bedeutung verändernden Schaffensprozess, bei dem durch den Nutzer oder für den Nutzer der Steuergestaltung eine bestimmte Struktur, ein bestimmter Prozess oder eine bestimmte Situation bewusst und aktiv herbeigeführt oder verändert wird" (BT-Drucks. 20/8628, 160). Der Begriff ist – analog zur grenzüberschreitenden Steuergestaltung – weit zu verstehen und umfasst nahezu jedes Handeln, das Rechtsfolgen auslöst.
Bloßes Unterlassen, z.B. das Abwarten des Ablaufs einer gesetzlichen Frist oder eines gesetzlichen Zeitraums, nachdem eine Transaktion steuerfrei realisiert werden kann, stellt dagegen keine Gestaltung dar (BT-Drucks. 20/8628, 160). Folglich besteht keine Mitteilungspflicht, wenn lediglich dahingehend beraten wird, die Behaltensfrist nach § 13a Abs. 6, Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 ErbStG oder die Zehn-Jahres-Frist nach § 13a Abs. 1 Satz 2 und 3 oder nach § 28a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG abzuwarten.
Beraterhinweis Die Mitteilungspflicht beschränkt sich nicht auf illegale oder unerwünschte Gestaltungen. Sinn und Zweck der Mitteilungspflicht ist es, Gestaltungsmöglichkeiten, die der Intention des Gesetzgebers nicht entsprechen, aber weder unter § 42 AO fallen noch von speziellen Missbrauchsvorschriften erfasst werden, zu identifizieren, um "ungewollte oder behauptete Gesetzeslücken früher bisher aufspüren und darauf reagieren zu können" (BT-Drucks. 20/8628, 159).
Ausnahmen für bekannte und etablierte Gestaltungen, sofern sie nicht in der sog. Whitelist auftauchen (hierzu s. unten 4.), sind nicht vorgesehen. Dies begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken (s. hierzu bereits Guerra, ErbStB 2020, 47, 50). Eine Mitteilungspflicht besteht auch bei Schenkungen, die bereits nach § 30 ErbStG anzeigepflichtig sind.
2. Kennzeichen sog. Hallmarks
§ 138l Abs. 3 AO-E definiert abschließend alle Kennzeichen, die eine Mitteilungspflicht auslösen. Für die Beratung im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer dürften vor allem die nachfolgenden von Interesse sein.
a) Vertraulichkeitsklausel – § 138l Abs. 3 Nr. 1 lit. a AO-E
Eine Vertraulichkeitsklausel, die eine Offenlegung, auf welche Weise aufgrund der Gestaltung ein steuerlicher Vorteil erlangt wird, gegenüber anderen Intermediären oder den Finanzbehörden verbietet, stellt ein solches Kennzeichen dar. Dies gilt auch für solche Klauseln, die eine Weitergabe von der Zustimmung des Intermediärs abhängig machen (BT-Drucks. 20/8628, 161). Übliche Hinweise in Stellungnahmen und Präsentationen, dass diese nicht an Dritte weitergegeben werden dürfen, werden hiervon nicht erfasst. Gesetzliche und standesrechtliche Verschwiegenheitspflichten fallen ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich des Kennzeichens BT-Drucks. 20/8628, 161).
b) Erfolgshonorar – § 138l Abs. 3 Nr. 1 lit. b AO-E
Wird die Vergütungsvereinbarung in Bezug auf den steuerlichen Vorteil der Steuergestaltung festgesetzt, d.h. hängt die Vergütung von der Höhe des steuerlichen Vorteils ab oder wird die Vergütung ganz oder teilweise zurückerstattet, falls der mit der Gestaltung zu erwartende steuerliche Vorteil ganz oder teilweise nicht erzielt wird, löst dies eine Mitteilungspflicht aus.
Beraterhinweis Richtet sich der Gegenstandswert allein info...