Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 93j
Nach § 1 Abs. 3a S. 1 GrEStG gilt als Rechtsvorgang i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 GrEStG auch ein solcher, aufgrund dessen ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar, eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von mindestens 90 % an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen inländischer Grundbesitz gehört, innehat. Die Begrifflichkeit des "Innehabens" einer wirtschaftlichen Beteiligung wurde vom Gesetzgeber mit Bedacht gewählt. Im Antrag der Bundesländer für ein JStG 2013 (BR-Drs. 139/13) wie auch im Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses v. 13.12.2012 zum JStG 2013 (vgl. Art. 26 des Gesetzentwurfs, in BT-Drs. 17/11844 unter IV Nr. 2 – Zu Art. 26; siehe hierzu Rz. 93i) war stattdessen noch auf den "Erwerb" einer wirtschaftlichen Beteiligung abgestellt worden. Diese Formulierung barg jedoch die Gefahr, dass die Neuregelung nicht greifen könnte, weil der Erwerb einer wirtschaftlichen Beteiligung schlecht vorstellbar ist. Denn eine wirtschaftliche Beteiligung kann nicht Gegenstand eines Rechtsgeschäfts sein. Auch würden mit der Formulierung "erwirbt" ggf. nur Fälle erreicht werden, bei denen eine entsprechende Beteiligung von mindestens 95, jetzt 90 % in einem Rechtsakt erworben wird, nicht aber sukzessive Anteilserwerbe, die erst in der Summe zu einer wirtschaftlichen Beteiligung im maßgeblichen Quantum führen. Auf Drängen der Länder wurde der Wortlaut der Vorschrift daher noch im Gesetzgebungsverfahren entsprechend angepasst und das Wort "erwirbt" am Ende des Satzes 1 des § 1 Abs. 3a GrEStG durch das Wort "innehat" ersetzt.
Eine Beteiligung von durchgerechnet 90 % hat ein Rechtsträger bereits dann inne, wenn entsprechende Anteilsübertragungsansprüche wirksam und unbedingt entstanden sind. Rechtstechnischer Anknüpfungspunkt des § 1 Abs. 3a GrEStG ist dementsprechend der Rechtsvorgang, mit dem Anteile an einer Gesellschaft erworben werden, wodurch sich erstmals eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von mindestens 90 % an einer Gesellschaft mit inländischem Grundbesitz einstellt. Eines auch sachenrechtlich wirksamen Übergangs der Anteile bedarf es hierzu nicht. Allerdings entsteht die Steuer aus § 1 Abs. 3a GrEStG letztlich nur dann, wenn der steuerauslösende Rechtsvorgang in der Folge dazu führt, dass der erwerbende Rechtsträger an einer grundbesitzenden Gesellschaft wirtschaftlich i. S. d. Vorschrift beteiligt ist. Eine Tatbestandserfüllung ohne Rechtsgeschäft ist nach der gesetzlichen Formulierung indes ausgeschlossen (vgl. Schanko, UVR 2014, 44; a. A. Liekenbrock/Joisten, Ubg 2013, 743).
Die von § 1 Abs. 3a GrEStG angesprochene wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von insgesamt 90 % kann in allen Varianten des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht werden (vgl. Tz. 1 Abs. 2 letzter S. der gleich lautenden Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 3a GrEStG v. 9.10.2013, BStBl I 2013, 1364). Die Neuregelung des § 1 Abs. 3a GrEStG fingiert einen weiteren grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestand für die Fälle, in denen ein Rechtsträger unmittelbar und/oder mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 90 % an einer grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft erwirbt. Mit der Einführung der wirtschaftlichen Beteiligung stellt die neue Regelung auf die unmittelbare oder/und mittelbare Beteiligung am Kapital oder am Vermögen einer Gesellschaft ab. Damit gilt nicht die sachenrechtliche Betrachtungsweise. Vielmehr sind alle Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen einer Gesellschaft ohne Rücksicht auf die Rechtsform der Gesellschaft anteilig zu berücksichtigen. Bei mittelbarer Beteiligung ist die Beteiligung am Kapital oder am Vermögen aufgrund der vorgesehenen Multiplikation "durchzurechnen". Die unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen eines Rechtsträgers an der Gesellschaft mit inländischem Grundstück werden für die Ermittlung der maßgeblichen wirtschaftlichen Beteiligung zusammengerechnet. Hat durch einen Rechtsvorgang i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG ein Rechtsträger insgesamt eine wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 90 % erstmals inne, greift die neue Regelung ein, soweit durch den Rechtsvorgang eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 nicht in Betracht kommt (vgl. Tz. 5 der gleich lautenden Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 3a GrEStG v. 9.10.2013, BStBl I 2013, 1364).
In Fällen einer mehrstufigen Beteiligungsstruktur ist bei der Prüfung einer wirtschaftlichen Beteiligung i. S. v. § 1 Abs. 3a GrEStG ist nicht nur auf den obersten Rechtsträger abzustellen. Die Finanzverwaltung wendet § 1 Abs. 3a GrEStG entsprechend der insoweit klaren Gesetzesregelung auch bei konzerninternen Umstrukturierungen auf allen Beteiligungsebenen an.
Mit dem eigenständigen Fiktionstatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG wird ein Eingriff in die Systematik des Grunderwerbsteuerrechts vermieden. Der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG bleibt hiervon unberührt. Dem Rechtsträger wird aufgrund der Neuregelung das Grundstück fiktiv auch dann zugerechn...