Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 82
Die bisherigen Äußerungen der Verwaltung zu den verschiedenen Arten des Erwerbs haben keine inhaltlich maßgebenden Änderungen erfahren. Unterscheiden lassen sich damit für die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2a GrEStG der derivative und der originäre Erwerb (so auch Tz. 4.1-4.3 des Erlasses v. 26.2.2003, BStBl I 2003, 271).
Bei Übertragung bereits bestehender Gesellschaftsanteile liegt ein derivativer Erwerb vor, weil der neue Gesellschafter seine Rechtsposition von dem bisherigen Gesellschafter "erhält". Ein solcher derivativer Erwerb, der den Tatbestand des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG erfüllt, ist auch bei einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel gegeben, bei dem ein Gesellschafter seine Beteiligung an einer Personengesellschaft auf einen neuen Gesellschafter überträgt und dieser Gesellschafter die Beteiligung als Treuhänder für den früheren Gesellschafter als Treugeber hält. Entscheidend ist insoweit, dass der Erwerber der Beteiligung zivilrechtlich Gesellschafter wird (vgl. BFH v. 17.3.2006, II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341; Fischer, in Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. 2011, § 1 Rz. 858). Diese Beurteilung gilt auch in den Fällen, in denen ein Gesellschafter seine Beteiligung an der Personengesellschaft auf seinen Ehegatten überträgt. Die Ehe führt lediglich dazu, dass die Grunderwerbsteuer unter Beachtung des § 6 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 1 und § 3 Nr. 4 GrEStG in Höhe des Anteils der Ehegatten am Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft nicht zu erheben ist (vgl. BFH v. 16.1.2013, II R 66/11, BFH/NV 2013, 653).
Von einem originären Erwerb ist hingegen auszugehen, wenn mit dem Eintritt neuer Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen durch Kapitalaufstockung vermehrt wird und infolgedessen neue Gesellschaftsanteile entstehen.
Bedeutung für die Praxis kann dem Umstand beizumessen sein, dass eine geplante Investition z. B. bei der Konzeption eines geschlossenen Immobilienfonds nicht vollumfänglich oder auf niedrigerem Niveau realisiert wird. In diesem Fall ändert sich auch die Bezugsgröße für die 90 %-Grenze.
A und B sind Gründungsgesellschafter einer KG (geschlossener Immobilienfond). Geplant ist eine Investition von 1 Mio. EUR, die auf insgesamt 40 Anteile je 250.000 EUR am Gesellschaftsvermögen aufgeteilt sein soll. Reduziert sich das Investitionsvolumen auf 800.000 EUR, ist die 90 %-Grenze erreicht, wenn 35 Anteile übernommen wurden.
Da § 1 Abs. 2a GrEStG den Übergang auf eine neue Personengesellschaft fingiert, kann die Regelung nicht greifen, wenn sich Beteiligungsverhältnisse von Altgesellschaftern untereinander ändern, und zwar selbst dann nicht, wenn eine Beteiligung von 1 % gegen eine von 99 % getauscht wird. Da die mittelbare Beteiligung für die Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG nunmehr von Relevanz ist, ist es nur konsequent, auch den bisher lediglich mittelbar beteiligten Gesellschafter als Altgesellschafter einzustufen.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob mittelbar beteiligter Gesellschafter nur sein kann, wer zu mindestens 90 % an der Gesellschaft beteiligt ist, die unmittelbar Anteile an der grundbesitzenden Personengesellschaft hält.
Gesellschafter der X-GmbH & Co. KG sind eine Komplementär-GmbH und die Y-KG als einzige Kommanditistin. An der KG sind A und B zu je 50 % beteiligt. Die beiden erwerben die Anteile der KG an der GmbH & Co. KG, sodass sie nunmehr unmittelbar an derselben beteiligt sind.
Würde man den Rechtsgedanken von Tz 4.1c des Erlasses v. 26.2.2003 (BStBl I 2003, 271) auf diese Fallkonstellation übertragen, könnte man die Auffassung vertreten, A und B seien nicht mittelbar beteiligt i. S. d. § 1 Abs. 2a GrEStG gewesen, weil sie lediglich zu je 50 % und keiner von ihnen zu mindestens 90 % an der Y-KG beteiligt war. Dies hätte zur Konsequenz, dass § 1 Abs. 2a GrEStG Anwendung fände, weil es sich nicht um Altgesellschafter handelte.
Die Finanzverwaltung sieht in solchen Fällen jedoch die mittelbar beteiligten Gesellschafter auch dann als Altgesellschafter, wenn sie zu weniger als 90 % an der die Beteiligung vermittelnden Gesellschaft beteiligt sind. Dies entspricht auch der ratio legis, weil mit der Beschränkung der Mittelbarkeit auf Beteiligungen von mindestens 90 % dieses Tatbestandsmerkmal im Wege der Ideologischen Reduktion so ausgelegt wurde, dass damit vertretbare Ergebnisse erzielt werden können. Die Ausdehnung dieser Überlegungen auf das Merkmal der Altgesellschafter wäre kontraproduktiv.
Steuerbar i. S. dieser Vorschrift ist indes ein anderer Sachverhalt:
An der S-KG sind die H-AG zu 99 % und die S-GmbH – deren Anteile zu 100 % die H-AG hält – zu 1 % beteiligt. Durch Ausgliederung übertrug die H-AG sowohl ihre unmittelbare Beteiligung an der S-KG als auch ihre Anteile an der S-GmbH auf die H-KG, an deren Kapital die H-AG zu 100 % beteiligt war. Die H-AG war also vor der Transaktion an der grundstückshaltenden S-KG zu 99 % unmittelbar sowie zu 1 % mittelbar und danach vollumfänglich mittelbar beteiligt.
Die Übertragung...