Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 2
§ 6 Abs. 1 S. 1 GrEStG begünstigt den Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand in das Miteigentum mehrerer an der Gesamthand beteiligter (natürlicher und juristischer) Personen. Die Steuer wird danach insoweit nicht erhoben, als der Bruchteil, den der einzelne Erwerber erhält, seinem Anteil am Vermögen der Gesamthand entspricht. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der erwerbende Gesamthänder bereits Eigentümer des Grundstücks der Gesamthand in gesamthänderischer Verbundenheit war. Für den Fall des Übergangs eines Grundstücks bei Auflösung der Gesamthand ist für das Ausmaß der Vergünstigung die – ggf. vom Beteiligungsverhältnis abweichende – vereinbarte Auseinandersetzungsquote entscheidend (§ 6 Abs. 1 S. 2 GrEStG).
Geht man vom Wortlaut des § 6 Abs. 1 GrEStG aus, sollte diese Steuervergünstigung nur dann Anwendung finden können, wenn alle der zu Miteigentum erwerbenden Personen an der Gesamthand beteiligt sind. Dies ließe sich jedoch mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift kaum vereinbaren, die einem Grundstückserwerber insoweit Steuerfreiheit zukommen lassen will, als er schon bisher aufgrund seiner dinglichen Beteiligung am Vermögen der übertragenden Gesamthand in gesamthänderischer Verbundenheit am Wert des Grundstücks beteiligt war. Daher kann es nicht darauf ankommen, ob weitere Miterwerber ebenfalls Gesamthänder sind oder nicht. Es genügt deshalb für die entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 1 GrEStG, wenn nur ein Teil der erwerbenden Miteigentümer oder gar nur ein einziger erwerbender Miteigentümer auch Gesamthänder ist (vgl. BFH v. 11.6.2008, II R 58/06, BStBl II 2008, 879). Erwerben mehrere Personen zu Miteigentum von einer KG ein Grundstück, ist § 6 Abs. 1 GrEStG entsprechend anwendbar, wenn nur einer der Erwerber Gesellschafter der KG ist. Dementsprechend ist § 6 Abs. 1 GrEStG beim Übergang des Grundstücks einer Gesamthand in das Miteigentum eines Beteiligten an dieser Gesamthand und eines Fremden, nur hinsichtlich des einen Beteiligten anzuwenden (FG Düsseldorf v. 15.12.1970, VI 70/67, DStZ B 1971, 102).
Ohne Bedeutung für die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 1 S. 1 GrEStG ist, ob der Erwerber nach dem Erwerb des Miteigentumsanteils am Grundstück an der übertragenden Gesamthand beteiligt bleibt. Zu beachten sind jedoch die Beschränkungen des § 6 Abs. 4 GrEStG, der eine Mindestzeit für die Dauer der Beteiligung des Erwerbers an der übertragenden Gesamthand vor dem Erwerbsvorgang verlangt (vgl. hierzu Rz. 20ff.).
Beispiel 1:
A, B, C und D sind zu je 25 % an der X-OHG beteiligt und erwerben von der Gesellschaft ein Grundstück zu jeweils 25 % Miteigentum.
Nach § 6 Abs. 1 S. 1 GrEStG findet eine Besteuerung dieses Vorgangs nicht statt.
Beispiel 2:
Die A, D und E erwerben von der X-OHG, an der A, B und C zu jeweils 1/3 beteiligt sind, ein Grundstück zu je 1/3 Miteigentum.
Für den Anteil des A ist keine Grunderwerbsteuer zu erheben, da er an der OHG bereits bisher zu 1/3 beteiligt gewesen ist.
Beispiel 3:
A, B und C sind zu je 1/3 am Vermögen der X-OHG, zu dem ein inländisches Grundstück gehört, beteiligt. Das Grundstück wird von A zu 2/3 Miteigentum und von B und C zu jeweils 1/6 Miteigentum erworben.
Die Grunderwerbsteuer für den Erwerb des A bleibt nach § 6 Abs. 1 S. 1 GrEStG zu 1/3 unerhoben. Die Grunderwerbsteuer für die Erwerbe des B und des C bleibt ebenfalls nach dieser Vorschrift vollständig unerhoben.
Die Berechnung der Quote der anteiligen Befreiung des Erwerbs von A im Fall der Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG ist auf der Grundlage des Werts anzusetzen, der sich rechnerisch aus dem Wert des Grundstücks vor der Aufteilung ergibt (vgl. BFH v. 11.6.2008, II R 58/06, BStBl II 2008, 879).
Rz. 3 einstweilen frei