Oftmals besteht in der Praxis auch während der Laufzeit des Arbeitsvertrags das Bedürfnis, die Regelungen zu einem vereinbarten Wettbewerbsverbot aufzuheben. Unterschieden wird hier
- der Verzicht des Arbeitgebers auf ein Wettbewerbsverbot und
- die Lossagung vom Wettbewerbsverbot.
3.3.1 Verzicht auf das Wettbewerbsverbot durch den Arbeitgeber vor Beendigung des Arbeitsvertrags
Wegen der Verpflichtung der Zahlung einer Karenzentschädigung hat der Arbeitgeber/Auftraggeber oftmals ein Interesse daran, auf ein einmal vereinbartes Wettbewerbsverbot zu verzichten. Vor Beendigung des Dienstverhältnisses ist ein solcher einseitiger Verzicht zulässig. Allerdings ist dabei die in § 75a HGB festgelegte Jahresfrist zu beachten, denn der Verzicht auf das Wettbewerbsverbot lässt die Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung erst nach Ablauf eines Jahres entfallen. Die Karenzentschädigung ist – auch wenn das nachvertragliche Wettbewerbsverbot mit der Verzichtserklärung (sofort) wirkungslos wird – noch für die Dauer von einem Jahr nach Verzichtserklärung zu leisten. Hierauf ist vor allem zu achten, wenn ein Arbeitsverhältnis einvernehmlich unter Verzicht auf die Kündigungsfristen aufgehoben werden soll. Wird eine Regelung zur einvernehmlichen Aufhebung des im Arbeitsvertrag enthaltenen Wettbewerbsverbots "vergessen", kann dies teuere Folgen haben.
Verzicht auf das Wettbewerbsverbot durch den Arbeitgeber
Eine Steuerberatungskanzlei hat im Arbeitsvertrag mit der bei ihr angestellten Steuerberaterin H ein wirksames 2-jähriges Wettbewerbsverbot vereinbart. Als Karenzentschädigung sind 50 % ihrer letzten Bezüge vereinbart. Am 31.1.2024 verzichtet die Steuerberatungskanzlei wirksam auf das Wettbewerbsverbot. Somit müsste die Karenzentschädigung bis zum Ende Januar 2025 gezahlt werden. Wird allerdings in dieser Zeit das Arbeitsverhältnis mit der Steuerberaterin nicht beendet, hat die Zahlungspflicht keine Konsequenz, da die Karenzentschädigung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen ist. Würde das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2024 beendet, hätte H bis Ende Januar 2025 Anspruch auf Karenzentschädigung, obwohl sie wegen des Verzichts sofort mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinem Wettbewerbsverbot mehr unterliegt.
Ist die Aufnahme eines Wettbewerbsverbots in den Arbeitsvertrag sinnvoll?
Wegen der nach Verzicht auf das Wettbewerbsverbot weiterlaufenden Karenzentschädigungspflicht sollten sich Arbeitgeber bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags genau überlegen, ob die Aufnahme eines Wettbewerbsverbots wirklich sinnvoll ist.
Der Verzicht auf das Wettbewerbsverbot bedarf ebenso wie die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots der Schriftform. Wegen der weitreichenden Folgen sollte der Arbeitgeber darauf achten, sich den Erhalt des Verzichts vom Arbeitnehmer/freien Mitarbeiter bestätigen zu lassen.
3.3.2 Lossagung vom Wettbewerbsverbot
Neben dem Verzicht auf das Wettbewerbsverbot bestehen in bestimmten Fällen für Angestellte und Arbeitgeber die Möglichkeit, sich vom Wettbewerbsverbot loszusagen. Wichtig: die Regelung des § 75 Abs. 3 HGB hat das BAG für verfassungswidrig eingestuft.
Lossagung durch Mitarbeitenden
Hat der Arbeitnehmer das Recht zur außerordentlichen Kündigung, kann er sich auch vom Wettbewerbsverbot lossagen, wenn ein solches vereinbart wurde. Allerdings besteht hier kein Automatismus, sondern die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter muss sich aktiv vom Wettbewerbsverbot innerhalb eines Monats nach Eintritt des außerordentlichen Kündigungsrechts lossagen. Verstreicht die Frist ohne Lossagung, bleibt das Wettbewerbsverbot bestehen.
Lossagung durch Arbeitgeber im Fall des außerordentlichen Kündigungsrechts
Auch dem Arbeitgeber steht ein Lossagungsrecht vom Wettbewerbsverbot zu, wenn er ein Recht zur außerordentlichen Kündigung analog den Regelungen des § 75 Abs. 1 HGB hat. § 75 Abs. 3 HGB findet wegen seiner Verfassungswidrigkeit keine Anwendung. Das bedeutet, dass sich auch der Arbeitgeber bei Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsrechts vom Wettbewerbsverbot lossagen kann. Für ihn gilt ebenfalls eine Monatsfrist. Ohne aktive Lossagung bleibt das Wettbewerbsverbot mit der Pflicht zur Leistung der Karenzentschädigung bestehen.
Arbeitsvertrag bei außerordentlicher Kündigung prüfen
Wegen dieser Folgen sollte stets bei außerordentlicher Kündigung der Arbeitsvertrag darauf geprüft werden, ob ein Wettbewerbsverbot enthalten ist, um sich ggf. zur Vermeidung von Karenzentschädigungspflichten rechtzeitig vom Wettbewerbsverbot loszusagen.
Lossagen vom Wettbewerbsverbot durch Mitarbeitenden bei betriebsbedingter Kündigung
Auch in Steuerberatungskanzleien kann es zu ordentlichen Kündigungen kommen, insbesondere betriebsbedingten Kündigungen, wenn sich – etwa wegen Ausfallens wichtiger Mandate – die wirtschaftliche Lage des Unternehmens verschlechtert. Wird eine ordentliche Kündigung ausgesprochen, ohne dass für die Kündigung ein erheblicher Anlass in der Person des Mitarbeitenden bestand, kann sich der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin vom Wettbewerbsverbot innerhalb eines Monats schriftlich ...