Leitsatz
1. Ist Art. 4 Nr. 19 ZK dahin auszulegen, dass in der Mitteilung an die Zollbehörden darüber, dass sich die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Ware an dem bestimmten Ort befindet, auf versteckte oder durch besonders angebrachte Vorrichtungen verheimlichte Waren ausdrücklich hinzuweisen ist?
2. Für den Fall, dass die unter Nr. 1 gestellte Frage bejaht wird: Ist Art. 40 ZK dahin auszulegen, dass diese Mitteilung auch der Fahrer oder der gleichberechtigte Beifahrer eines Lastzugs zu machen hat, der von den in dem Lastzug versteckten oder verheimlichten Waren weder wusste noch hätte wissen müssen?
3. Für den Fall, dass die unter Nr. 2 gestellte Frage bejaht wird: Spielt es für die Frage, wer Abgabenschuldner nach Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 ZK geworden ist, eine Rolle, wer die (unvollständige) Mitteilung tatsächlich abgegeben hat?
Normenkette
Art. 4 Nr. 19 ZK , Art. 40 ZK , Art. 202 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 Anstrich 1 ZK , Art. 203 Abs. 1 Anstrich 1 ZK , Art. 206 ZK , Art. 233 Buchst. d ZK , § 21 TabStG , § 8 Satz 2 ZollV
Sachverhalt
Der Beifahrer eines Lkws wurde vom HZA für Tabaksteuer in Anspruch genommen. Er war mit seinem Lkw in die Bundesrepublik eingereist. In diesem waren Holzpaletten verladen, die zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren abgefertigt wurden. Bei einer späteren Kontrolle des Lastzugs wurden im Dach in einem eigens hierfür hergerichteten Versteck unversteuerte Zigaretten gefunden. Die Klage gegen den deswegen ergangenen Tabaksteuerbescheid hatte Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die eingangs aufgeführten Fragen vorgelegt.
Nicht zweifelhaft sei, dass die Zigaretten in das Zollgebiet "verbracht" worden sind; es sei unerheblich, ob der Kläger den Verbringungswillen gehabt habe; es reiche aus, dass zumindest derjenige einen solchen Willen habe, der dem u.U. gutgläubigen Kläger die betreffenden Waren untergeschoben hat. Nicht zweifelhaft sei auch, dass die Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht wurden; denn sie seien entgegen Art. 40 ZK nicht gestellt worden. Eine allgemeine Mitteilung über das Vorhandensein zu gestellender Waren sei für die Gestellungsmitteilung hinsichtlich versteckter oder verheimlichter Waren nicht ausreichend. Auf sie müsse vielmehr ausdrücklich hingewiesen werden.
Zweifelhaft sei aber, welche Person im Entscheidungsfall die Waren in das Zollgebiet verbracht habe und deshalb gestellungspflichtig sei. Wenn jemand nicht den Willen hat, Waren "zu verbringen", weil er von deren Vorhandensein nichts weiß, da er von einem anderen als willenloses Werkzeug zum Verbringen benutzt wird, sei er möglicherweise "unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit" nicht als gestellungspflichtig und als derjenige anzusehen, der die Waren in das Zollgebiet "verbringt" und damit Zollschuldner wird.
Hinweis
1. Das Tabaksteuerschuldrecht ist – wie allgemein das Verbrauchsteuerschuldrecht –, soweit es um die Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren geht, weitgehend durch Inbezugnahme der Zollvorschriften geregelt.
2.EineEinfuhrzollschuld entsteht u.a., wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird. Vorschriftswidrig ist es u.a. Waren in das Zollgebiet zu verbringen, ohne sie zu gestellen, d.h. ohne der Zollbehörde darüber eine Mitteilung zu machen, dass sich die Waren bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort befinden; kurz gesagt: Ware einzuschmuggeln. Zollschuldner wird in diesem Fall derjenige, der die Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht hat (Art. 202 Abs. 3 ZK).
3."Verbringt" im Sinn dieser Gemeinschaftsvorschrift jemand Ware in das Zollgebiet, der sie zwar in das Zollgebiet befördert, der dabei aber von ihrer Existenz nichts weiß, weil sie in seinem Fahrzeug von einem anderen ohne sein Wissen versteckt worden ist? Nach dem natürlichen Wortsinn des Wortes "verbringen" wird man das nicht bezweifeln wollen; denn diesersetzt zwar eine von natürlichem Handlungswillen getragene Handlung voraus, welcher sich aber auf eine dem Verbringer im Einzelnen nicht bekannte Sachgesamtheit beziehen kann und z.B. bei Lkw-Fahrern im Allgemeinen nur zu beziehen pflegt: sie wollen ihren Lkw samt Inhalt ans Ziel bringen und pflegen nicht einmal darüber nachzudenken, was sie geladen haben.
Gleichwohl hat der BFH – wohl von den steuerschuldrechtlichen Folgen, die diese Betrachtung nach Art. 202 ZK hätte, hellhörig gemacht – Zweifel, ob dieser natürliche Sprachgebrauch auch für die Auslegung des ZK maßgeblich ist oder nur Waren verbracht werden, von denen der Betreffende weiß, dass er sie "verbringt".
4. Bei solchen Zweifelsfragen über die Auslegung des ZK ist der EuGH zu befragen. Das gilt auch, wenn das Gemeinschaftsrecht – wie z.B. der ZK im Verbrauchsteuerrecht – nur kraft nationaler Verweisung gilt (vgl. EuGH-Urteil vom 17.7.1997, Rs. C-130/95, EuGHE 1997, I-4291).
5. Nach Art....