Auch wenn es vielen Entscheidungsträgern im Unternehmen oft nicht bewusst ist, gibt es in jedem Unternehmen Verfahren und Methoden mit denen Wissensmanagement bereits praktiziert wird. Nur werden u. U. andere Begriffe verwendet oder es wird zunächst schlicht kein Zusammenhang mit dem Wissensmanagement hergestellt. Beispielsweise können schon vorhandene Kennzahlen oder Kennzahlensysteme mit Bezug zum Wissensmanagement genutzt werden, z. B. Kundenkennzahlen, Kennzahlen zur Produktentwicklung oder Kennzahlen zur Mitarbeiterqualifikation. Oder es gibt Anweisungen, wie und mit welchen EDV-Systemen Informationen und Daten verarbeitet werden sollen, etwa Dokumentenmanagement-,Cloud- oder Workflow-Systeme. Oder es wird bereits in einigen Bereichen mit Formatvorlagen und Vordrucken gearbeitet, damit sichergestellt wird, dass z. B. Bestellungen oder Produktionsaufträge richtig bearbeitet und systematich und leicht nachvollziehbar gespeichert werden.
Einstieg mit strukturiertem Test
Die Ist-Analyse kann z. B. mithilfe von strukturierten Tests und Umfragen im Unternehmen vorgenommen werden. Einen guten Einstieg in die Analyse mithilfe von Fragen ermöglicht der vom Fraunhofer IPK entwickelte "Wissensmanagement-Fitness-Check"
). Innerhalb nur weniger Minuten ist es mit ihm möglich, eine erste Einstufung vorzunehmen, und man kann Stärken und Schwächen im Wissensmanagement erkennen. Es wird zu den zentralen Punkten,
- Wissensdomänen (Worüber muss man allgemein wie gut Bescheid wissen, z. B. Kunden, Märkte, Produkte, Abläufe, Innovationen, Projekte),
- Wissensverfügbarkeit (Wie steht es um die Verfügbarkeit des Wissens zu den zuvor genannten Domänen),
- Wissen erzeugen (Wie systematisch wird Wissen erzeugt?),
- Wissen speichern (Wie systematisch wird Wissen gespeichert und wie schnell lässt es sich wiederfinden?),
- Wissen verteilen (Wie systematisch findet ein übergreifender Erfahrungsaustausch statt?),
- Wissen anwenden (Wie systematisch werden gemachte Erfahrungen in neue Projekte und Vorhaben einbezogen? Wie gelingt es, Mitarbeiter davon zu überzeugen, auf Erfahrungen Dritter zurückzugreifen, um z. B. eigenen Fehler oder längere Suchen zu vermeiden?,
- Rahmenbedingungen (Unterstützung der Wissenserfassung, -auswertung und –verfügbarkeit durch Technik, Organisation und Mitarbeiter),
jeweils nach dem Wissensbedarf und der Wissensverfügbarkeit gefragt und um eine (subjektive) Einschätzung gebeten.
Um dennoch zu einem zuverlässigen Gesamtbild zu gelangen, sollte der Test von mehreren Personen, z. B. allen Mitgliedern des Projektteams, unabhängig voneinander durchgeführt werden. Die Einzelergebnisse können dann zu einem in der Regel realistischen Gesamtbild zusammengeführt werden.
Analyse mit strukturierten Workshops vervollständigen und abrunden
Workshops mit mehreren Teilnehmern bieten ebenfalls eine gute Möglichkeit, die Bestandsaufnahme durchzuführen und zu vervollständigen. Auch hier hat das Fraunhofer-IPK eine Vorlage zur Durchführung der Analyse von Geschäftsprozessen entwickelt. Mithilfe der so genannten GPO-WM-Analyse (Geschäftsprozess-orientiertes Wissensmanagement
) ist es möglich, in kleinen Workshops mit ca. 4-8 Personen sowie einem Moderator in je etwa zwei Stunden einzelne Prozesse zu beschreiben und zu bewerten.
Für den Workshop werden ein oder mehrere Geschäftsprozesse beispielhaft ausgewählt, z. B. die Auftragsbearbeitung oder Produktentwicklung. Dann wird das Wissensgebiet ausgewählt, das im Rahmen der Analyse untersucht werden soll, z. B. Wissen über Kunden, interne Abläufe oder Produkte. Und schließlich muss festgehalten werden, wer der oder die Wissensträger im gewählten Prozess sind, z. B. bestimmte Mitarbeiter oder EDV-Systeme und Dokumente. Dann wird je Prozess bewertet, wie Wissen erzeugt, gespeichert, verteilt und angewendet wird. Zu jedem der vier Punkte wird festgehalten, mit welchen Instrumenten und Verfahren dies geschieht. Außerdem sollen soweit möglich, bereits bekannte Stärken und Schwächen erfasst und Lösungsmöglichkeiten skizziert werden. Alle Analysen werden mit Hilfe des Ampelprinzips (Rot = Großer Handlungsbedarf, Gelb = mittlerer Handlungsbedarf, Grün = Kein/Geringer Handlungsbedarf) bewertet.
Vorlagen im Internet
Die Workshops können grundsätzlich ohne externe Hilfe durchgeführt werden, da die Vorgehensweise einfach und verständlich formuliert ist. Wer sich in Sachen Wissensmanagement aber auf noch weit gehend unbekanntem Boden bewegt, sollte zumindest für die ersten ein oder zwei Workshops auf das Angebot der Moderation von z. B. Unternehmensberatern zurückgreifen, um zu sehen, wie sich am schnellsten und einfachsten Ergebnisse erreichen lassen.
Am Ende der Bestandsaufnahme sollten vor allem folgende Fragen geklärt sein:
- Zu welchen Themenbereichen, z. B. Kunden, Produkte, Märkte, eigene Organisation, Partner, gibt es gutes, weniger gutes, kaum Wissen?
- Wer verfügt im Unternehmen vor allen Dingen über Wissen zu bestimmten Themen und wer nicht?
- Wer benötigt Wissen zu welchen Themen, hat es aber nicht o...