Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Betreibt ein Steuerpflichtiger aus einem Urteil die Zwangsvollstreckung gegen Erbringung einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft und vereinbart er mit der Bank als Sicherheit für die Bürgschaft die Hinterlegung des erstrittenen Geldbetrags auf einem verzinslichen Sperrkonto, so fließen ihm die Zinsen im Zeitpunkt der jeweiligen Gutschrift auf dem Sperrkonto zu.
Normenkette
§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG
Sachverhalt
Eine Ärztin führte, nachdem sie aus einer Gemeinschaftspraxis ausgeschieden war, mit ihren früheren Mitgesellschaftern einen langwierigen Rechtsstreit um die ihr zustehenden Gewinnanteile. Das LG sprach ihr eine größere Summe zzgl. Zinsen gegen die von ihr verklagten Mitgesellschafter zu. Das Urteil war vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung, die auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank erbracht werden konnte. Die Klägerin machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und veranlasste die Stellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft durch eine Bank. Im Gegenzug hatte die Klägerin mit der Bank vereinbart, den erstrittenen Gesamtbetrag bis zum Ergehen eines rechtskräftigen Urteils auf einem Sperrkonto als Sicherheit für die Bürgschaft zu hinterlegen. Der zivilrechtliche Rechtsstreit endete zugunsten der Klägerin. Mit dem Erlöschen der Bürgschaft nach Verfahrensbeendigung gab die Bank das gesperrte Konto frei. Die Klägerin ging davon aus, dass erst dadurch der steuerliche Zufluss der Zinsen bewirkt werde.
Das FA vertrat hingegen die Auffassung, die Zinsen seien der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der jeweiligen Gutschrift auf dem Sperrkonto zugeflossen, und verteilte die Zinsen dementsprechend auf die Vorjahre.
Das FG wies die Klage ab (FG Düsseldorf, Urteil vom 7.2.2008, 16 K 2223/06 E, Haufe-Index 2018620, EFG 2008, 1201).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin blieb im Ergebnis erfolglos. Der BFH führte aus, die Zinsen seien der Klägerin als Inhaberin des Sperrkontos schon im Zeitpunkt der Gutschrift auf diesem Konto als Einnahmen zugeflossen. Die Sperre des Kontos zugunsten der Bank, die wirtschaftlich betrachtet als Verpfändung des Guthabens zugunsten der Bank zu werten sei, setze die Verfügungsberechtigung der Klägerin über das Guthaben voraus. Die zivilrechtlich Beklagten hätten ausschließlich an die Klägerin geleistet, die ihrerseits den empfangenen Betrag dann als Sicherheit für die Bank zur Verfügung gestellt habe. Deshalb sei auch der Einwand der Klägerin unzutreffend, die Bank habe die auf dem Sperrkonto eingegangenen Beträge im alleinigen wirtschaftlichen und rechtlichen Interesse der zivilgerichtlich Beklagten verwaltet.
Der Umstand, dass die von der Klägerin eingeklagten Geldbeträge ihre Grundlage in einer vorläufigen Zwangsvollstreckungsmaßnahme im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens gehabt hätten, rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Das von der Klägerin erstrittene Urteil des LG sei gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar gewesen (§ 709 Satz 1 ZPO). Um die Möglichkeit der Vollstreckung nutzen zu können, habe die Klägerin die ihr obliegende Sicherheitsleistung erbracht, woraufhin die zivilgerichtlich Beklagten gezahlt hätten. Zwar hätte danach eine Rückzahlungspflicht der Klägerin bestanden, sofern diese in einem weiteren Rechtsgang unterlegen wäre. Ein Zufluss von Einnahmen sei aber selbst dann anzunehmen, wenn noch nicht zweifelsfrei feststehe, ob die Einnahmen dem Empfänger endgültig verbleiben oder ob er sie wieder erstatten oder an Dritte herausgeben müsse.
Hinweis
Werden Gelder auf einem Sperrkonto hinterlegt, so kann der Berechtigte darüber bis zur Freigabe nicht verfügen. Das Geld ist sozusagen "weggeschlossen". Daher ist es verständlich, wenn Steuerpflichtige, denen Zinsen auf einem Sperrkonto gutgeschrieben werden, nicht verstehen, weshalb ihnen diese Zinsen im steuerrechtlichen Sinn "zugeflossen" sein sollen. In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Fragen: Sind die Zinsen trotz der Festlegung auf dem Sperrkonto dem Steuerpflichtigen als eigenes Geld zuzurechnen (dazu nachfolgend 1.) und, wenn ja, sind sie ihm schon mit der Gutschrift auf dem Sperrkonto oder erst mit der Freigabe des Kontos zuzurechnen, weil er erst dann tatsächlich darüber verfügen kann (dazu nachfolgend 2.)?
1. Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der sie erzielt, der also den Tatbestand der Erzielung der Einkünfte erfüllt.
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Bei einer verzinslichen Kapitalforderung ist dies i.d.R. der Gläubiger, der dem Schuldner die Nutzung des Kapitalbetrags gegen Entgelt überlässt, d.h. derjenige, der im Entstehungszeitpunkt der Erträge Gläubiger der Forderung auf Kapitalrückzahlung ist. Dabei ist grundsätzlich der zivilrechtliche Rechtsinhaber auch steuerrechtlich als Inhaber des Kapitalvermögens anzusehen. Eine vom Zivilrecht abweichende Zurechnung kommt nur in Betracht, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Darlehensgläubiger wirtschaftlicher Inhaber der fraglichen Darlehensforderung ist. |
b) |
Zinsen sind dem Steuerpflichtigen als eigene... |