Die Überwachung der Telekommunikation, also das Mithören und Aufzeichnen von Telefongesprächen und das Mitlesen und Aufzeichnen von Kurznachrichten (z.B. SMS) ist zulässig beim Anfangsverdacht bestimmter schwerer Straftaten, die in § 100a StPO enumerativ genannt sind.
Beraterhinweis Hierzu gehört die einfache Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 und 2 AO) allerdings nicht, wohl aber die bandenmäßige Steuerhinterziehung in großem Ausmaß nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO, die bandenmäßige USt- oder Verbrauchsteuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 AO (z.B. in den Fällen sog. USt-Karussellgeschäfte), ferner der gewerbsmäßige, gewaltsame oder bandenmäßige Schmuggel nach § 373 AO sowie die gewerbsmäßige oder bandenmäßige Steuerhehlerei nach § 374 Abs. 2 AO.
Es gilt hier nichts anderes als im Falle der sog. Quellen-TKÜ (s.o.!) mit dem Unterschied, dass die Telefonüberwachung nach § 100a Abs.1 S. 1 StPO gegenüber dem jeweiligen Netzanbieter durchgesetzt wird, während die Quellen-TKÜ seitens der Ermittlungsbehörden gezielt auf dem Endgerät des Beschuldigten erfolgt (vgl. Henrichs / Weingast in Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl. 2023, § 100a Rz. 42).
Es muss jeweils hinzukommen, dass die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt. Die Erforschung des Sachverhalts bzw. Ermittlung des Aufenthaltsorts muss wegen des intensiven Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 10 GG außerdem wesentlich erschwert oder aussichtslos sein ("ultima-ratio"-Klausel).
Beraterhinweis Auch wenn (einfache) Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1, 2 AO nicht zu den Katalogtaten des § 100a Abs. 2 StPO gehört, kann es in Fällen organisierter Kriminalität vorkommen, dass die Staatsanwaltschaft gegen einen Beschuldigten neben einer der in § 100a Abs. 2 StPO aufgeführten Delikte, etwa nach dem WaffG, AWG oder BtmG (§ 100a Abs. 2 Nrn. 6, 7 und 11 StPO), wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Dann kommt in Betracht, dass die Telekommunikationsüberwachung in den Fällen organisierter Begehung von Steuerdelikten auf den Verdacht der Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 StGB gestützt wird (§ 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d StPO). Wenn in einem solchen Fall zwischen der Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 StGB und der Steuerhinterziehung Tateinheit nach § 52 StGB oder prozessuale Tatidentität nach § 264 StPO besteht, dürfen die Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung verwertet werden, selbst wenn sich der Verdacht nach § 129 StGB später nicht bestätigt (BGH v. 18.3.1998 – 5 StR 693/97, wistra 1998, 269; BGH v. 15.8.2000 – 5 StR 223/00, wistra 2000, 432; OLG Hamm v. 8.8.2013 – 1 RVs 58/13, wistra 2014, 39).
Geldwäsche: Wird gegen den Beschuldigten wegen Geldwäsche (§ 261 StGB) ermittelt, kommt eine Telekommunikationsüberwachung in Betracht, wenn die Vortat ein Fall der schweren bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 oder 5, des gewerbsmäßigen, gewaltsamen oder bandenmäßigen Schmuggels nach § 373 AO oder der gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Steuerhehlerei nach § 374 Abs. 2 AO ist. Dies scheidet aber wiederum i.d.R. aus, wenn die Geldwäsche wegen Beteiligung an der Vortat nicht strafbar ist (vgl. § 261 Abs. 7 StGB). Dann aber kann die Überwachung auf den Verdacht der Steuerstraftat(en) nach § 100a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 385 Abs. 1 AO gestützt werden (gl.A. Webel in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 399 AO Rz. 214). Außerdem kommt eine Telekommunikationsüberwachung in Betracht, wenn der Beschuldigte verdächtig ist, etwas aus einer Katalogtat nach § 100a Abs. 2 Nr. 2 StPO Erlangtes für einen anderen zu verwahren, ohne an der Steuerstraftat beteiligt gewesen zu sein (Grommes in Rolletschke/Kemper/Roth, Steuerstrafrecht, § 399 AO Rz. 148 [April 2018]).