Leitsatz

Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL des Rats vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die USt – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die RL 2000/65/EG des Rats vom 17.10.2000 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der betreffende Steuerpflichtige bereits dann ein "im Ausland ansässiger Steuerpflichtiger" ist, wenn er den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Ausland hat.

 

Normenkette

Art. 9 Abs. 2,  Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL, § 3a Abs. 3 und 4, § 13b UStG

 

Sachverhalt

Rs Gewerbe (Überlassung von Arbeitnehmern an Unternehmen mit Sitz in Deutschland für Fahrtätigkeiten) war in Österreich angemeldet. R hatte in Österreich auch seinen Wohnsitz gemeldet, hielt sich aber so oft in Deutschland auf, dass das FA von einem inländischen Wohnsitz ausging. R rechnete seine Leistungen gegenüber den deutschen Speditionsbetrieben netto mit Hinweis auf § 13b UStG ab. Das FA meinte, R sei wegen des inländischen Wohnsitzes kein "im Ausland ansässiger Steuerpflichtiger".

 

Entscheidung

Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Der BFH wird sie im konkreten Fall umsetzen. Wenn es sich um einen tatsächlichen, realen Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit und nicht um einen fiktiven Sitz oder Standort in Österreich handelt, ist der inländische Wohnsitz ohne Bedeutung.

 

Hinweis

1. Ist bei bestimmten in § 3a Abs. 3 bezeichneten Leistungen – z.B. Gestellung von Personal – der Leistungsempfänger ein "im Ausland ansässiger Unternehmer", so wird diese dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Nach § 13b schuldet der Leistungsempfänger die Steuer für Werklieferungen und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers.

Nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. b schuldet der Empfänger einer in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e) genannten Dienstleistung (unter anderem die Gestellung von Personal), der im Inland für Zwecke der Mehrwertsteuer erfasst ist, die Steuer, wenn die Dienstleistung von einem "im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen" erbracht wird. Der BFH hatte, weil der Begriff "im Ausland ansässiger Steuerpflichtiger" in der RL nicht definiert war, Zweifel, ob nur der Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Ausland oder auch der private Wohnsitz zu beachten sei.

2.Bei der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gesellschaft sind eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, und zwar in erster Linie der satzungsmäßige Sitz, der Ort der zentralen Verwaltung, der Ort, an dem die Führungskräfte der Gesellschaft zusammentreffen, und der – gewöhnlich mit diesem übereinstimmende – Ort, an dem die allgemeine Unternehmenspolitik der Gesellschaft bestimmt wird. Andere Aspekte – wie der Wohnsitz der Hauptführungskräfte und der Ort, an dem die Gesellschafterversammlung zusammentritt – können in zweiter Linie in Betracht gezogen werden, wenn es z.B. darum geht, bei einer Gesellschaft mit fiktivem Standort, wie er etwa eine "Briefkastenfirma" kennzeichnet, den tatsächlichen Sitz zu bestimmen.

3. Auch bei einem Einzelunternehmer ist ein privater Wohnsitz des Steuerpflichtigen innerhalb dieses Landes ohne Bedeutung, wenn der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen bekannt ist, sich außerhalb des Landes des Leistungsempfängers befindet und wenn es sich unstreitig um einen tatsächlichen, realen Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit und nicht um einen fiktiven Sitz oder Standort handelt. Nur diese Auslegung biete – so der EuGH zu Recht – die größte Rechtssicherheit.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 6.10.2011 – C-421/10 – Markus Stoppelkamp als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Harald Raab –

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge