OFD Frankfurt, Verfügung vom 16.6.2021, S 2244 A - 41 - St 519
Werden bei einer Gewinnausschüttung Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto bezogen, sind diese Gewinnausschüttungen insoweit nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG), sie mindern aber die Anschaffungskosten der Anteile, auf die diese Ausschüttungen entfallen. Bei einer späteren Veräußerung der Anteile oder bei Auflösung der Gesellschaft sind entsprechend geminderte Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Übersteigen die Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto die Anschaffungskosten der Anteile, entsteht bereits bei der Gewinnausschüttung ein steuerpflichtiger fiktiver Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 4 EStG (vgl. ofix: EStG/17/23).
Bei Erwerb von Anteilen an derselben Kapitalgesellschaft zu verschiedenen Zeitpunkten sind die Anschaffungskosten jeweils gesondert zu ermitteln und festzuhalten, weil die Anteile ihre rechtliche Selbstständigkeit sowohl gesellschaftsrechtlich (§ 15 Abs. 2 GmbHG) als auch nach § 17 Abs. 1 EStG behalten (BFH vom 29.7.1997, BStBl 1997 II S. 727). Bei einer Veräußerung sind für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns bzw. -verlusts die tatsächlichen Anschaffungskosten des einzelnen Anteils maßgebend (BFH vom 10.10.1978, BStBl 1979 II S. 77).
Demzufolge müssen die Anschaffungskosten bei Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto pro Anteil fortentwickelt werden. Dies kann dazu führen, dass bei einzelnen Anteilen die Anschaffungskosten durch Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto bereits verbraucht sind und ein fiktiver Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 4 EStG entsteht, während bei weiteren Anteilen an derselben Kapitalgesellschaft noch Anschaffungskosten vorhanden sind. Handelt es sich bei den Anteilen, deren Anschaffungskosten bereits verbraucht sind, um sperrfristbehaftete Anteile i.S.d. UmwStG, löst die (weitere) Einlagenrückgewähr ein sperrfristschädliches Ereignis gem. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 UmwStG aus.
Beispiel 1
Anteilserwerb 01.09.2010: 10 % für 35.000 EUR (Anteil 1)
Anteilserwerb 01.09.2011: 10 % für 10.000 EUR (Anteil 2)
Gewinnausschüttung mit Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto im VZ 2012 i.H.v. 25.000 EUR.
Die Anschaffungskosten mindern sich pro Anteil um 12.500 EUR. Damit verbleiben bei Anteil 1 noch 22.500 EUR Anschaffungskosten. Bei Anteil 2 werden die Anschaffungskosten vollständig verbraucht und es entsteht in Höhe des übersteigenden Betrags nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ein steuerpflichtiger fiktiver Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 4 EStG i.H.v. 1.500 EUR (60 % von 2.500 EUR).
Beispiel 2
Anteilserwerb 01.09.2010: 10 % für 35.000 EUR (Anteil 1)
Im VZ 2015 Gewinnausschüttung mit Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.H.v. 100.000 EUR.
Anteilserwerb 01.01.2017: weitere 15 % für 125.000 EUR (Anteil 2)
Im VZ 2017 Gewinnausschüttung mit Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.H.v. 60.000 EUR.
Mit der Gewinnausschüttung im VZ 2015 mindern sich die Anschaffungskosten des Anteils 1 auf 0 EUR. In Höhe des übersteigenden Betrags entsteht nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ein steuerpflichtiger fiktiver Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 4 EStG i.H.v. 39.000 EUR (60 % von 65.000 EUR).
Die Gewinnausschüttung im VZ 2017 entfällt zu 40 % auf den Anteil 1 (24.000 EUR) und zu 60 % (36.000 EUR) auf den Anteil 2. Da die Anschaffungskosten von Anteil 1 bereits verbraucht sind, entsteht im VZ 2017 nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ein steuerpflichtiger fiktiver Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 4 EStG i.H.v. 14.400 EUR (60 % von 24.000 EUR). Für Anteil 2 mindern sich die Anschaffungskosten um 36.000 EUR und es verbleiben Anschaffungskosten i.H.v. 89.000 EUR.
Eine vollständige Verrechnung der Ausschüttung 2017 nur mit den ausreichend hohen Anschaffungskosten der neu erworbenen Anteile und damit ein außer Acht lassen der Altanteile scheidet aus. Dies ergibt sich daraus, dass sich der jeweilige Ausschüttungsbetrag der einzelnen Anteilseigner in der Regel auf Grund seiner individuellen prozentualen (Gesamt-)Beteiligung ergibt und damit auf alle in seinem Eigentum befindlichen Anteile entfällt (§ 20 Abs. 5 EStG). Eine Auswahl bestimmter Anteile – wie bei der Veräußerung von Teilanteilen – ist hier nicht möglich.
Bei der Berechnung eines etwaigen (Veräußerungs-)Gewinns nach § 17 Abs. 4 EStG sind somit die Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto prozentual den einzelnen Anteilen zuzuordnen (Verhältnis der einzelnen Anteile in Bezug zur Gesamtbeteiligung des Anteilseigners am Stammkapital der Kapitalgesellschaft).
Allerdings gelten die o.g. Ausführungen nur für die Konstellationen, in denen eine Auskehrung des steuerlichen Einlagekontos erfolgt und die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft fortgesetzt wird. Denn nur dann ist eine erfolgsneutrale Verringerung der Anschaffungskosten vorzunehmen. Falls es jedoch zu einer Auskehrung im Rahmen der Auflösung der Körperschaft kommt, führt § 17 Abs. 4 EStG zu einer Schlussbesteu...