Kommentar
Der steuerliche Kinderlastenausgleich im Jahre 1987 für Eltern mit zwei Kindern und einem Anspruch auf das auf den Sockelbetrag geminderte Kindergeld ist verfassungsgemäß . Denn bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs müssen die steuerlichen Kinderfreibeträge und das Kindergeld in ihrem Zusammenwirken berücksichtigt werden. Das in einen fiktiven Kinderfreibetrag umzurechnende Kindergeld und der im Einkommensteuerrecht vorgesehene Kinderfreibetrag sind dem Betrag des Existenzminimums gegenüberzustellen (BVerfG, Beschluß v. 29. 5. 1990, 1 BvL 20/84 u. a. BStBl 1990 II S. 653, 660).
Nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung bestehen noch erhebliche Unsicherheiten darüber, wie das für steuerliche Zwecke maßgebende Existenzminimum zu ermitteln , mit welchem Steuersatz das Kindergeld in einen fiktiven Kinderfreibetrag umzurechnen und in welchem Umfang es verfassungsrechtlich hinzunehmen ist, daß der steuerliche Entlastungsbetrag das Existenzminimum unterschreitet .
Der VI. Senat des BFH ist angesichts der unterschiedlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen, auf die die Prüfung der in Frage stehenden Regelungen in vertretbarer Weise gestützt werden kann, nicht überzeugt davon, daß die Regelungen über den Kinderlastenausgleich unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG und bei Berücksichtigung des dem Gesetzgeber einzuräumenden Ermessenspielraums mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind. Eine derartige Überzeugung wäre aber für eine Vorlage an das BVerfG erforderlich ( Artikel 100 Abs. 1 GG ). Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, die der VI. Senat hegt oder bloße Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung reichen nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG für eine Vorlage nach Artikel 100 Abs. 1 GG nicht aus.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.07.1997, VI R 121/90
Hinweis:
Die endgültige Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs für die Jahre 1987, 1988 und 1991 wird nunmehr das BVerfG treffen. Die Verfahren sind dort unter den Aktenzeichen 2 BvR 1853/97 (für das Jahr 1987) und 2 BvR 1852/97 (für 1988) anhängig.
Deshalb sollten einschlägige Verfahren, die die vorstehend genannten Veranlagungszeiträume betreffen, auch weiterhin offen gehalten werden. Denn mit dem gleichen Ergebnis und identischer Begründung wie in dem vorstehend mitgeteilten Urteil VI R 121/90 für den VZ 1987 hat der BFH auch für den Veranlagungszeitraum 1988 (BFH, Urteil v. 22. 7. 1997, VI R 147/90) und für den Veranlagungszeitraum 1991 entschieden (BFH, Urteil v. 22. 7. 1997, VI R 114/96).
In seiner Entscheidung für den Veranlagungszeitraum 1991 hat der BFH noch zusätzlich ausgeführt, daß es keinen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG darstelle, daß der Gesetzgeber den Kinderlastenausgleich nicht durch die Einführung eines Familiensplittings gestaltet habe.