Leitsatz
1. Vorbereitende oder bestimmende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, sind ab dem 01.01.2022 als elektronisches Dokument zu übermitteln (§ 52d Satz 1 FGO). Gleiches gilt für die nach § 62 Abs. 2 FGO vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg i.S. des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht (§ 52d Satz 2 FGO).
2. Berufsausübungsgesellschaften in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH, für die erst ab dem 01.01.2023 ein sicherer Übermittlungsweg in Gestalt des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) eingerichtet wird, sind nach § 52d Satz 2 FGO erst ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, vorbereitende oder bestimmende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen unter Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs als elektronisches Dokument zu übermitteln.
3. Eine nach § 52d Satz 2 FGO (noch) nicht nutzungspflichtige Prozessbevollmächtigte in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH wird nicht dadurch (i.S. des § 52d Satz 1 FGO) nutzungspflichtig, weil für sie ein gesetzlicher Vertreter (§ 55d Abs. 2 StBerG) handelt, der in seiner beruflichen Funktion als Rechtsanwalt nach § 52d Satz 1 FGO nutzungspflichtig wäre, wenn er als solcher selbst dem Gericht gegenüber auftreten würde.
Normenkette
§ 52d Sätze 1 und 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 62 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 90a, § 97, § 120 Abs. 1 und 2, § 121, § 126 Abs. 1 FGO, § 31a BRAO, § 3, § 55d Abs. 2 StBerG
Sachverhalt
Die als Prozessvertretung mandatierte Steuerberatungsgesellschaft mbH wird u.a. vertreten durch einen angestellten Geschäftsführer A, der als Rechtsanwalt und Steuerberater zugelassen ist. Das FG hat sein Urteil elektronisch per beA dem bei der Prozessbevollmächtigten angestellten Rechtsanwalt B zugestellt, der die Gesellschaft nicht vertritt, aber dessen beA in erster Instanz für die Kommunikation mit dem Gericht genutzt worden war. Die Gesellschaft legte, vertreten durch A, im Jahr 2022 Revision per Telefax ein und begründete diese ebenfalls per Telefax.
Entscheidung
Der BFH hat durch Zwischenurteil entschieden, dass die erstinstanzliche Entscheidung (FG Köln, Urteil vom 25.11.2021, 14 K 1178/20, Haufe-Index 15099654, EFG 2022, 677) an Rechtsanwalt B nach Anscheinsgrundsätzen wirksam zugestellt und die Revision wirksam eingelegt und begründet worden ist. Die Steuerberatungsgesellschaft war als solche vor dem 1.1.2023 noch nicht aktiv nutzungspflichtig. Dass sie sich dabei durch den angestellten Geschäftsführer A mit Doppelzulassung als Rechtsanwalt und Steuerberater vertreten ließ, ändert nichts. A musste sein beA als handelnder Vertreter der Steuerberatungsgesellschaft nicht aktiv nutzen.
Hinweis
Die Entscheidung klärt einen Sonderfall der aktiven Nutzungspflicht im Zusammenhang mit der Einführung des besonderen elektronischen Postfachs.
1. Rechtsanwälte müssen das für sie eingerichtete (§ 31a BRAO) besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) seit dem 1.1.2022 aktiv nutzen. Sie können vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen wirksam nur noch als elektronische Dokumente übermitteln. Das gilt nach § 52d Satz 1 FGO auch in finanzgerichtlichen Verfahren.
2. Aktiv nutzungspflichtig sind nach § 52d Satz 2 FGO darüber hinaus auch die nach der FGO vertretungsberechtigten Personen (§ 62 Abs. 2 FGO), für die ein sicherer Übermittlungsweg (§ 52a Abs. 4 Nr. 2 FGO) zur Verfügung steht.
3. Für Berufsausübungsgesellschaften gemäß § 3 Nr. 2, §§ 49, 50 StBerG, hier konkret für eine Steuerberatungsgesellschaft mbH, wird ein sicherer Übermittlungsweg in Form des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) erst seit dem 1.8.2022 von der Bundessteuerberaterkammer eingerichtet; die aktive Nutzungspflicht beginnt grundsätzlich am 1.1.2023. Bis dahin sind solche Gesellschaften nicht aktiv nutzungspflichtig. Sie können bestimmende Schriftsätze noch auf herkömmliche Weise wirksam einreichen (z.B. per Telefax).
4. Nicht eindeutig gesetzlich geregelt ist die Frage der aktiven Nutzungspflicht für Personen mit Doppelqualifikation (z.B. Rechtsanwalt und Steuerberater), für gemischte Berufsausübungsgesellschaften (z.B. Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft) oder wenn für eine Berufsgesellschaft ein angestellter Geschäftsführer mit Mehrfachzulassung handelt.
- Ein Berufsträger mit Mehrfachzulassung (z.B. als Rechtsanwalt und Steuerberater) muss das beA seit dem 1.1.2022 aktiv nutzen. Er konnte sich im Jahr 2022 nicht erfolgreich darauf berufen, als Steuerberater zu handeln und als solcher noch nicht aktiv nutzungspflichtig zu sein.
- Gemischte Berufsausübungsgesellschaften sind seit dem 1.1.2022 aktiv nutzungspflichtig, wenn sie durch einen im Briefkopf der Gesellschaft aufgeführten Berufsträger mit Mehrfachzulassung vertreten werden und handeln, der auch als Rechtsanwalt zugelassen ist (FG Rheinland-Pfalz, ...