FinMin Sachsen-Anhalt, Erlaß v. 11.2.2008, 41 - S 0720 - 17
1. Gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung i.d.F. der Bek. vom 1.10.2002 (BGBl 2002 I S. 3866, BGBl 2003 I S. 61), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21.12.2007 (BGBl 2007 I S. 3198, S. 3209), haben Gerichte und Behörden von Bund, Ländern und kommunalen Trägern der öffentlichen Verwaltung, die nicht Finanzbehörden sind, Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die auf eine Steuerstraftat schließen lassen, dem Bundeszentralamt für Steuern oder, soweit bekannt, den für das Steuerstrafverfahren zuständigen Finanzbehörden mitzuteilen.
Das in der Anlage veröffentlichte bundeseinheitliche „Merkblatt zur Zusammenarbeit von Behörden und Gerichten mit den Landesfinanzbehörden” und Formular „Mitteilung nach § 116 der Abgabenordnung (AO)” trägt dem Rechnung und ist von allen in § 116 AO benannten Gerichten und Behörden zu beachten.
2. Dieser RdErl. tritt am Tage nach seiner Veröffentlichung in Kraft.
Anlage
Merkblatt zur Zusammenarbeit von Behörden und Gerichten mit den Landesfinanzbehörden
1. Einleitung
Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden verfügen häufig über steuerlich verwertbare Informationen, von denen die Finanzbehörden noch keine Kenntnis haben. Daher ist eine vollständige Erfassung aller steuerlich bedeutsamen Tatbestände oftmals nur durch die Unterstützung dieser Stellen möglich. Die Pflicht dieser Stellen zur Übermittlung von Informationen an die Finanzbehörden ergibt sich aus § 116 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) und anderen Vorschriften.
Dieses Merkblatt beschreibt die Zusammenarbeit mit den Landesfinanzbehörden in Fällen, bei denen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Steuerstraftat in Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren bekannt werden.
2. Rechtsgrundlagen für das Tätigwerden der Finanzbehörden im Steuerstrafverfahren
Die Besonderheit des Steuerstrafrechts liegt darin, dass neben den für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten üblicherweise zuständigen staatlichen Organen (Staatsanwaltschaft, Polizei) die Finanzämter mit eigenständigen staatsanwaltlichen und polizeilichen Befugnissen und Pflichten ausgestattet sind.
Die Erfüllung staatsanwaltschaftlicher Aufgaben obliegt dabei den so genannten Strafsachenstellen. Sie führen gemäß §§ 385, 386 Abs. 2 Nr. 1 AO in den Grenzen der § 399 Abs. 1, §§ 400, 401 AO das Ermittlungsverfahren selbstständig durch, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat darstellt. Danach nimmt die Strafsachenstelle in den Fällen, in denen sie selbstständig und ausschließlich in Steuerstrafsachen ermittelt, dieselben Rechte und Pflichten wahr, die der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zustehen.
Die selbstständige Ermittlungskompetenz der Strafsachenstellen bezieht sich zunächst auf Steuerstraftaten (§ 369 Abs. 1 AO). Hierbei handelt es sich insbesondere um die Steuerhinterziehung nach § 370 AO, sowie die Anstiftung, Beihilfe oder Begünstigung zu einer solchen Tat. Kraft gesetzlicher Anordnung ist die Ermittlungskompetenz der Strafsachenstellen zudem auf bestimmte, den Steuerstraftaten gleichgestellte Straftaten erweitert, z.B. das ungerechtfertigte Erlangen von Eigenheim- und Investitionszulagen.
Die Befugnisse der Steuerfahndung ergeben sich aus § 404 AO. Danach sind die Beamten dieser Stelle Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. Sie haben die Rechte und Pflichten der Polizei nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO), (§ 404 Satz 1 AO). Darüber hinaus steht ihnen kraft Gesetzes das Recht zur Durchsicht der Papiere des von einer Durchsuchung Betroffenen zu (§ 404 Satz 2 AO i.V.m. § 110 Abs. 1 StPO).
3. Mitteilungen steuererheblicher Tatsachen an die Landesfinanzbehörden
3.1 § 116 Abs. 1 AO
Durch § 116 AO sollen bisher unbekannte und unentdeckte Steuerfälle erfasst werden. Für die Steuerpflicht ist es unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes erfüllt, gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Eine Mitteilungspflicht besteht für Gerichte sowie für die Behörden von Bund, Ländern und kommunalen Trägern der öffentlichen Verwaltung, sofern diese Tatsachen dienstlich erfahren, die auf eine Steuerstraftat schließen lassen. Die Mitteilung ist an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) oder, soweit bekannt, an die zuständige Landesfinanzbehörde zu richten.
Im Bereich der Polizei- und Ordnungsbehörden, Staatsanwaltschaft sowie Strafgerichtsbarkeit treten insbesondere folgende Fallgestaltungen auf, die auf eine gewerbliche Tätigkeit schließen lassen, und die unter Umständen Steuern vom Einkommen oder Umsatz- und Gewerbesteuerpflicht auslösen und deshalb von der Mitteilungspflicht umfasst werden:
- Rauschgifthandel und -schmuggel, verbotene Arzneimittellieferungen,
- Waffenhandel und Waffenschmuggel,
- Verbotener Handel mit sonstigen Erzeugnissen (Produkt- und Markenpiraterie, Kinderpornografie, verbotenes Schriftgut, illegal eingeführte Waren und anderes),
- Kriminalität in Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben, z.B. Unt...