Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Wer seinen Ehegatten nicht im Pflegeheim besucht, dessen Rente zusammen mit dem neuen Lebenspartner verbraucht (was letztlich zur Kündigung des Heimvertrags führt) und im Scheidungsverfahren erklärt, dass er sich vollständig vom pflegebedürftigen Ehegatten gelöst habe, kann mit diesem keine Zusammenveranlagung mehr beanspruchen.
Sachverhalt
Der Ehemann erlitt im Jahr 2001 einen Schlaganfall und war daraufhin in einem Pflegeheim untergebracht. Seine Ehefrau zog im Jahr 2006 mit einem Lebensgefährten zusammen. Die Erwerbsminderungsrente und die Betriebsrente ihres pflegebedürftigen Mannes verbrauchte sie für eigene Zwecke. Nachdem die Heimkosten in der ersten Zeit noch vom Konto des Ehemannes eingezogen werden konnten, ergaben sich schließlich erhebliche Zahlungsrückstände, aufgrund dessen der Heimbetreiber den Heimvertrag kündigte und beim Amtsgericht ein Betreuungsverfahren einleitete.
Für die Jahre 2003 bis 2006 wurden die Eheleute zunächst zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Zuge eines amtsgerichtlichen Scheidungsverfahrens wurde die Ehe im Jahr 2008 geschieden. In diesem Verfahren hatte der Ehemann erklärt, dass seine Frau ihn nur ein einziges Mal im Pflegeheim besucht habe. Nach Aussage der Frau habe sie ihrem Mann bereits im Jahr 2002 gesagt, dass es "kein Zurück" mehr aus dem Pflegeheim gebe. Sie hatte erklärt, dass sie sich im Januar 2002 "vollständig gelöst" habe und die feste Absicht habe, mit ihrem Mann "nie mehr zusammen zu leben". Das Finanzamt erfuhr von diesen Aussagen und hob daraufhin die Zusammenveranlagungen der Altjahre auf. Stattdessen erließ das Amt einen für die Frau ungünstigen Einzelveranlagungsbescheid. Die Frau erklärte nun vor dem Finanzamt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft nun doch bis zur Scheidung in 2008 fortbestanden hatte und eine Zusammenveranlagung für die Altjahre daher zu gewähren sei.
Entscheidung
Das FG entschied, dass das Finanzamt die Zusammenveranlagung zu Recht aufgrund eines dauernden Getrenntlebens der Eheleute abgelehnt hatte.
Die Wahl einer Zusammenveranlagung setzt voraus, dass die Eheleute nicht dauernd getrennt leben. Von einer dauernden Trennung ist nach der Rechtsprechung des BFH auszugehen, wenn die ehetypische Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht mehr besteht. In die Prüfung müssen die von außen erkennbaren Umstände (insbesondere eine dauerhafte räumliche Trennung) und die innere Einstellung der Eheleute zur ehelichen Lebensgemeinschaft einbezogen werden. Die Feststellungslast für ein nicht dauerndes Getrenntleben trifft dabei den Ehegatten, der sich zu seinen Gunsten darauf beruft.
Die Ehefrau konnte nicht nachweisen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen ihr und ihrem Mann fortbestanden hatte. Insbesondere war nicht erkennbar, dass mit der Heimeinweisung die persönliche und geistige Gemeinschaft fortbestand. Im Zuge ihrer Scheidung hat die Frau zudem erklärt, dass sie die Lebensgemeinschaft als aufgelöst ansah. Solche Äußerungen im Scheidungsverfahren sind ein gewichtiges Indiz für ein dauerndes Getrenntleben. Dass die eheliche Lebensgemeinschaft aufgegeben wurde, zeigt sich darüber hinaus auch in dem Umstand, dass die Frau eine Beziehung mit einem neuen Partner eingegangen war.
Zwar hatte die Frau erklärt, dass sie ihren Mann nicht "habe sitzen lassen wollen", die äußeren Umstände sprachen für das FG allerdings gegen dieses Pflichtgefühl. Schließlich hatte die Frau die Zahlungsrückstände selbst verursacht, die letztlich zur Kündigung des Heimvertrags geführt hatten. Auch hatte sie ihren Ehemann nach Aussage der Heimleitung nur in der Anfangszeit besucht.
Hinweis
Die Ehefrau scheint in diesem Fall "wie eine Fahne im Wind" agiert zu haben. Das Urteil zeigt, dass Aussagen im Scheidungsprozess ein erhebliches Gewicht für das Besteuerungsverfahren haben und sich vor dem FG nicht einfach in das Gegenteil verkehren lassen.
Das Finanzamt durfte die Bescheide über die Zusammenveranlagung aufgrund neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aufheben und neue Einzelveranlagungsbescheide erlassen, da die näheren Umstände der Trennung erst nach dem Abschluss des Scheidungsverfahren bekannt wurden.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 26.04.2010, 10 K 1989/10