1 Arbeitsrecht
1.1 Scheinselbstständigkeit: Reitlehrerin ohne eigene Pferde
Hessisches Landessozialgericht, Urteil v. 2.5.2024, L 1 BA 22/23
2 GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
2.1 Was gilt bei nicht ausgezahlten Tantiemen bei beherrschendem Gesellschafter-Geschäftsführer?
BFH, Urteil v. 5.6.2024, VI R 20/22
Der BFH folgt mit seiner Entscheidung nicht der Verwaltungsauffassung (BMF, Schreiben v. 12.5.2014, BStBl 2014 I S. 860). Die Verwaltung geht zwar – ebenso wie der BFH – davon aus, dass dem beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen "seine" Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zufließe. Ob sich der Vorgang in der Bilanz der Kapitalgesellschaft tatsächlich gewinnmindernd ausgewirkt habe, etwa durch die Bildung einer Verbindlichkeit, sei allerdings für die Anwendung dieser sog. Zuflussfiktion – nach Meinung der Verwaltung – unerheblich, sofern eine solche Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung hätte gebildet werden müssen.
3 Kapitalanlage & Versicherung
3.1 Schiffsfonds: Sind Fondsetablierungskosten Anschaffungskosten?
FG Münster, Urteil v. 24.1.2024, 12 K 357/18 F
Fragen im Zusammenhang mit § 6e EStG sind kaum Gegenstand der Rechtsprechung gewesen. Da die Bestimmung erst 2019 geschaffen wurde, ist dies auch nicht besonders überraschend. Die Regelung greift aber ältere Entwicklungen in der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis zu Fonds auf. Neben der Frage, was alles als Kosten der Fondsetablierung anzusehen ist, ist umstritten, ob es rechtlich zulässig ist, dass der Gesetzgeber eine rückwirkende Anwendung des § 6e EStG auf alle offenen Fälle angeordnet hat. Das FG Münster bejaht die Verfassungsmäßigkeit und begründet dies im Wesentlichen damit, dass der Gesetzgeber lediglich die bisherige Rechtsprechung und Verwaltungspraxis konkretisiert hat. Dies kann man so sehen, zwingend erscheint es indes nicht. Jedenfalls hat sich die Praxis hierauf einzustellen bzw. hat dies bereits in der Vergangenheit getan.
Abzuwarten bleibt, ob der BFH die Ansicht des Finanzgerichts teilt. Dieses hat nämlich wegen der grundsätzlichen Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts die Revision zugelassen, Az. beim BFH IV R 6/24.
3.2 Zur Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften
BFH, Beschluss v. 7.6.2024, VIII B 113/23 [ADV]
Der BFH-Beschluss ist in allen noch offenen Fällen bedeutsam. Wird im Rahmen der Veranlagung ein Verlustausgleich bzw. eine Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG angewandt, sollten die Bescheide offengehalten werden. Eine Aussetzung der Vollziehung dürfte das Finanzamt vor dem Hintergrund dieses BFH-Beschlusses gewähren.
Über die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte wird der BFH in einem Hauptsacheverfahren zu entscheiden haben. Das FG Baden-Württemberg hat die gesetzlich normierte Verlustverrechnungsbeschränkung in einem aktuellen Entscheidungsfall - noch in Unkenntnis des BFH-Beschlusses v. 7.6.2024 – als noch verfassungsgemäß angesehen (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 29.4.2024, 10 K 1091/23). Gegen dieses Urteil ist ein Revisionsverfahren vor dem BFH rechtsanhängig. Beruft sich der Einspruchsführer auf dieses Musterverfahren, löst dies eine Verfahrensruhe kraft Gesetzes aus.
In dem Hauptsacheverfahren ist zu erwarten, dass die streitige Rechtsfrage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt werden wird. Das BVerfG hat dann neben der Frage der Berücksichtigung von Aktienveräußerungsverlusten auch die Verlustverrechnungsbegrenzung bei Verlusten aus Termingeschäften verfassungsrechtlich zu beurteilen.
4 Lohn und Gehalt
4.1 Bemessungsgrundlage für die Steuerfreiheit bei Nachtzuschlägen
BFH, Urteil v. 11.4.2024, VI R 1/22
Nach § 3b Abs. 1 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, soweit sie die in § 3b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 EStG genannten Grenzen des Grundlohns nicht übersteigen.
4.2 Nettolohnvereinbarung: Steuererstattungen und Kindergeld
BFH, Urteil v. 8.2.2024, VI R 26/21
Übernimmt der Arbeitgeber, der mit vorübergehend Beschäftigen aus dem Ausland unter Abtretung der Steuererstattungsansprüche eine Nettolohnvereinbarung abgeschlossen hat, die Steuerberatungskosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen, wendet er damit nach neuerer Rechtsprechung regelmäßig keinen Arbeitslohn zu.
(BFH, Urteil v. 9.5.2019, VI R 28/17, BStBl II S. 785; BMF, Schreiben v. 12.12.2023, IV B 2 - S 1300/21/10024 :005).
5 Private Immobilienbesitzer
5.1 Baufälliges Denkmal: Kein Grundsteuererlass
VG Koblenz, Urteil v. 25.6.2024, 5 K 172/24.KO
5.2 Eilanträge zum neuen Grundsteuer- und Bewertungsrecht erfolgreich
BFH, Beschlüsse v. 27.5.2024, II B 78/23 (AdV) sowie inhaltsgleicher Beschluss II B 79/23 (AdV)
Nach den Regelungen des BewG im sog. Bundesmodell, das in zahlreichen Bundesländern Anwendung findet, wird die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer, die ab dem 1. 1. 2025 von den Gemeinden erhoben werden wird, ganz wesentlich durch die Feststellung des Grundsteuerwerts auf den 1.1.2022 beeinflusst. Die Wertfeststellung erfolgt durch einen eigenständigen Grundlagenbescheid, sodass Einwände gegen die Höhe der Bemessungsgrundlage der ab 2025 zu erhebenden Grundsteuer insofern nur gegen diese Grundsteuerwertbescheide vorgebracht werden können.
Der BFH hat nun in 2 inhaltsgleichen AdV-Beschlüssen – Az. II B 78/23 (AdV) und II B 79/23 (AdV) – zu der Frage Stellung genommen, ob die Möglichkeit besteht, dass Steuerpflichtige einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachweisen können.
Da nach den dargestellten Grundsätzen bereits ernstliche Zweifel an der ein...