1 Arbeitsrecht
1.1 Corona-Infektion ist kein Dienstunfall
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteile v. 12.12.2022, 23 K 8281/21, 23 K 2118/22, 23 K 6047/21
1.2 Falsche Krankschreibung rechtfertigt die fristlose Kündigung
AG Siegburg Urteil v. 16.12.2022, 5 Ca 1200/22
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.
Eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit - unter Vorlage eines ärztlichen Attests - kann die fristlose Kündigung rechtfertigen. Für Arbeitgeber ist es im Kündigungsschutzprozess jedoch oftmals schwer, das Gericht zu überzeugen, dass die Krankheit eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin nur vorgetäuscht war, da der AU-Bescheinigung ein hoher Beweiswert zukommt.
Vorliegend stand für das Arbeitsgericht Siegburg fest, dass die entlassene Arbeitnehmerin am Tage ihrer angeblichen Arbeitsunfähigkeit bester Laune und bei bester Gesundheit war. Zu offensichtlich waren die Partyfotos, die die krankgeschriebene Arbeitnehmerin beim Feiern zeigten, sowie ihre Widersprüche im Prozess.
2 GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
2.1 Kassen-Nachschau und Übergang zur Außenprüfung
FG Hamburg, Urteil v. 30.8.2022, 6 K 47/22
Die Entscheidung ist insofern von besonderem Interesse, als sie – soweit erkennbar – nahezu die erste Entscheidung eines Finanzgerichts darstellt, die sich mit der seit 1.1.2018 bestehenden Möglichkeit der Durchführung einer Kassen-Nachschau nach § 146b AO auseinandersetzt. Zwar gibt es bereits längere Zeit andere Nachschauen, insbesondere bei der Umsatzsteuer nach § 27b UStG und der Lohnsteuer nach § 42g EStG, doch bedeutet dies nicht, dass die Rechtsauffassungen, die sich bei diesen gebildet haben, ohne Weiteres auch auf die Kassen-Nachschau übertragbar wären. Gewisse Überschneidungen gibt es allerdings und in diesem Sinne ist auch die Entscheidung des Finanzgerichts ausgefallen.
Zentral für die Entscheidung war die Frage, wann der Übergang von einer Kassen-Nachschau zu einer allgemeinen Außenprüfung zulässig ist. Das FG Hamburg äußerte sich hierbei in dem Sinne, dass ein solcher Übergang zulässig ist, wenn im Rahmen der Kassen-Nachschau Mängel festgestellt werden, die nicht ohne Weiteres aufgeklärt werden können. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere auch der Kooperationsbereitschaft des Steuerpflichtigen erhebliche Bedeutung zu. Ausgeschlossen ist ein solcher Übergang aber auch bei Kooperation nicht. Die Entscheidung ist aktuell nicht rechtskräftig, Az beim BFH XI B 93/22.
2.2 Zur Abgrenzung von Spenden gegenüber Betriebsausgaben und verdeckter Einlagen
BFH, Urteil v. 13.7.2022, I R 52/20
Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung (begrenzt abziehbarer) Spenden (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG) von (unbeschränkt abziehbaren) allgemeinen Betriebsausgaben ist die Motivation des Leistenden (BFH, Urteil v. 2.2.2011, IV B 110/09, BFH/NV 2011 S. 792, zum Sponsoring). Der Betriebsausgabenabzug kommt in Betracht, wenn durch die Aufwendungen auch wirtschaftliche Vorteile (regelmäßig Werbezwecke) für das Unternehmen angestrebt werden. Liegt das (wie im Streitfall) nicht vor bzw. ist die Motivation überwiegend in der Förderung gemeinnütziger Zwecke zu sehen, sind die Aufwendungen im Rahmen des (begrenzten) Spendenabzugs zu berücksichtigen (BFH, Urteil v. 16.12.2015, IV R 24/13, BStBl 2017 II S. 224). Der BFH weist darauf hin, dass das altruistische Zuwendungsmotiv nicht nur als Kriterium zur Abgrenzung von Spende und Betriebsausgabe dient, sondern ebenso im Rahmen der Abgrenzung zu verdeckten Einlagen herangezogen werden kann.
2.3 Zur steuerlichen Behandlung eines inkongruenten Vorabgewinnausschüttungsbeschlusses
BFH, Urteil v. 28.9.2022, VIII R 20/20
Der BFH widerspricht dem BMF-Schreiben v. 17.12.2013, BStBl 2014 II S. 63. Danach ist die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnverteilung davon abhängig, dass im Gesellschaftsvertrag (bzw. in einer nachträglichen Satzungsänderung mit Zustimmung aller Gesellschafter) eine vom Verhältnis der Geschäftsanteile abweichende Verteilung festgesetzt ist oder die Satzung eine Klausel enthält, nach der alljährlich mehrheitlich eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichend Gewinnverteilung beschlossen werden kann.
3 Kapitalanlage & Versicherung
3.1 Bewertung einer Ferienwohnung: Wie wird der Gesamtkaufpreis für die Immobilie aufgeteilt?
BFH, Urteil v. 20.9.2022, IX R 12/21
Aus Anlass des Streitfalls hebt der BFH erneut hervor, dass sich aus der bisherigen Rechtsprechung kein steuerrechtlicher, insbesondere kein typisierender Vorrang bestimmter Wertermittlungsverfahren für bestimmte Gebäudearten ergibt. Das bedeutet, dass sich die Wahl der Ermittlungsmethode einer Verallgemeinerung schon dem Grunde nach entzieht. Denn einen von der Beurteilung im Einzelfall unabhängigen "Vorrang" einzelner Bewertungsmethoden bei bestimmten Objektarten kann es schon von Gesetzes wegen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV) nicht geben.
Die vom FA anhand der "Arbeitshilfe" des BMF zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (abzurufen unter www.bundesfinanzministerium.de) kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. Der BFH verweist insoweit auf das Urteil v. 21.7.2020, IX R 26/19, BStBl 2021 II S. 372. Danach gewährleistet die Arbeitshilfe nicht die Aufteilung nach den realen Verkehrswerten.
4 Private Immobilienbesitzer
4.1 Kaufpreisaufteilung im Kaufvertrag: Wann liegt Gestaltungsmissbrauch vor?
FG Münster, Urteil v. 22.9.2022, 8 K 2748/20 E
Das FG hat die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, weil unterschiedliche Auffassungen über den maßgeblichen Stichtag bei einer ...