1 Arbeitsrecht
1.1 Arbeitszeitbetrug ist kein Kavaliersdelikt: Verdachtskündigung kann zulässig sein
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 28.3.2023, 5 Sa 128/22
Mit der Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern wird erneut deutlich, dass eine Manipulation der Arbeitszeiterfassung einen erheblichen Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellt, der auch bei langjährig Beschäftigten nicht toleriert werden kann. Der dringende Verdacht, dass ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin bei der Erfassung der Arbeitszeit betrügt, führt unweigerlich zum Verlust der Vertrauenswürdigkeit des oder der Arbeitnehmenden. Damit gibt die Rechtsprechung angesichts der nunmehr bundesweit geltenden Zeiterfassungspflicht den Arbeitgebern wirksame Sanktionen an die Hand, falls Arbeitnehmende die ihnen eingeräumte selbstständige Erfassung ihrer Arbeitszeiten missbrauchen sollten.
2 GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
2.1 Grundstücksunternehmen: Ist eine erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags möglich?
BFH, Urteil v. 25.5.2023, IV R 33/19
Das Finanzamt wies im Urteilsfall zwar zu Recht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung die Abstandszahlung, die ein Mietinteressent nach Abschluss eines Vormietvertrags für die Entlassung aus diesem Vertrag an den Eigentümer bezahlt, nicht unmittelbar zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG gehört. Hierauf kam es im Urteilsfall aber nicht an. Entgegen der Auffassung des Finanzamts ist für die Gewährung der erweiterten Kürzung gerade nicht maßgeblich, dass der in Rede stehende Gewerbeertrag einkommensteuerrechtlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung darstellt. Maßgeblich ist allein, dass die Einnahmen aus einer Tätigkeit stammen, die der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes zuzuordnen ist.
Der BFH stellt auch klar, dass die sachliche Gewerbesteuerpflicht einer grundbesitzverwaltenden Personengesellschaft jedenfalls dann vor Überlassung des Mietobjekts mit Abschluss des Mietvertrags beginnt, wenn wie im Urteilsfall ein nicht standardisiertes Mietobjekt durch Umbaumaßnahmen an die individuellen Bedürfnisse des Mieters angepasst wird.
3 Kapitalanlage & Versicherung
3.1 Einbruch mit entwendetem Wohnungsschlüssel: Muss die Hausratsversicherung zahlen?
BGH, Urteil v. 5.7.2023, IV ZR 118/22
3.2 Keine Anwendung der Zinsschranke auf "arrangement fee"
BFH, Urteil v. 22.3.2023, XI R 45/19
Der Hinzurechnungstatbestand des § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG erfasst die "Entgelte für Schulden". Jene Bestimmung versteht die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung dahin, dass Gegenleistungen für die Zurverfügungstellung (Überlassung und Nutzung) von Fremdkapital erfasst werden. Der sehr ähnliche Wortlaut der beiden Vorschriften legt nach Auffassung des BFH ein übereinstimmendes Verständnis nahe. Gründe, die für eine unterschiedliche, also normspezifische Interpretation sprechen könnten, vermag der BFH insoweit nicht zu erkennen. Deshalb spreche auch nichts dagegen, die zu § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 GewStG ergangene Rechtsprechung zu einzelnen vom Steuerpflichtigen getätigten Aufwendungen für die Auslegung des § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG heranzuziehen.
3.3 Private Krankenversicherung: In welchem Umfang darf der Versicherer die Prämien erhöhen?
BGH, Urteil, v. 12.7.2023, IV ZR 347/22
3.4 Steuerbefreite Pensionskasse: Nur natürliche Personen können Leistungsempfänger sein
BFH, Urteil v. 11.5.2023, V R 1/21
Der BFH konnte offenlassen, ob die Steuerpflichtige bei Ausfall der Unterstützungskasse und des Trägerunternehmens von den Zugehörigen in Mithaftung genommen werden könnte. Denn selbst für den Fall einer Mithaftung besteht ein Rechtsanspruch der Unterstützungskasse als Nicht-Zugehörige i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KStG gegen die Steuerpflichtige, welcher der Steuerbefreiung entgegensteht.
4 Lohn & Gehalt
4.1 Wie wirkt sich ein Verlustrücktrag auf den Gesamtbetrag der Einkünfte im Entstehungsjahr aus?
BFH, Urteil v. 3.5.2023, IX R 6/21
Eine andere steuerliche Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass die vorliegend streitige Hinzurechnung nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG nicht bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte bzw. des GdE, sondern bei der Ermittlung des Einkommens ansetzt. Zwar bildet nach § 2 Abs. 4 EStG der GdE den Ausgangspunkt für die weitere Ermittlung des Einkommens. Die Vorschrift knüpft damit begrifflich an § 2 Abs. 3 EStG an. Die durch den Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 EStG bewirkte Veränderung dieser Größe ist jedoch nicht etwa systemfremd, sondern dem Umstand geschuldet, dass der Verlustabzug nach § 10d EStG in dem durch § 2 EStG vorgegebenen Schema der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens zwischen § 2 Abs. 3 und Abs. 4 EStG zu verorten ist. Zwar bezieht sich die Formulierung "vorrangig vor Sonderausgaben" in § 10d Abs. 1 EStG auf das Rücktragsjahr. Für den Verlustvortrag gilt aber Entsprechendes. Auch er wird "vorrangig vor Sonderausgaben" abgezogen (§ 10d Abs. 2 Satz 1 EStG). In der Zusammenschau kommt verallgemeinerbar zum Ausdruck, an welcher Stelle im Schema des § 2 EStG der Verlustabzug durchzuführen ist. Für das Entstehungsjahr kann insofern nichts anderes gelten. Allerdings ist der Wortlaut des § 2 EStG insofern unscharf, als begrifflich zwischen dem GdE vor der Durchführung des Verlustabzugs (§ 2 Abs.3 EStG) und danach (§ 2 Abs. 4 EStG) unterschieden werden muss.
4.2 Wo liegt die erste Tätigkeitsstätte bei einer Soldatin auf Zeit?
FG Nürnberg, Urteil v. 8.3.2023, 5 K 211/22
Die zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassene Revision wurde nicht eingelegt und das Urteil ist rechtskräftig geworden.
4.3 Zu Verrechnung und Hinzurechnung einer Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für mehrere Jahre
BFH, Urteil v. 22.3.2023, X R 27/21
Da § 10 Abs. 4b Sätze 2 und 3 EStG am 1.1.2012 in Kraft getreten sind, gelten sie für alle Erstattungen, die dem Steuerpflichtigen nach...