[Ohne Titel]

Dipl.-Finw. (FH) Sören Weiß[*]

Angesichts der in Millionenhöhe erlassenen Grundsteuerwertbescheide mehren sich Zweifelsfragen bei der Bewertung des Grundvermögens nach den §§ 218 ff. BewG, auf die der Beitrag – auch vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Rahmenbedingungen – eingeht und praxisbezogene Lösungsmöglichkeiten aufzeigt. Nach Betrachtung der grundlegendsten Vorgaben aus dem BVerfG-Urteil v. 10.4.2018 (BVerfGE 148, 147) nebst deren konzeptioneller Umsetzung im reformierten Bewertungsrecht, werden die Ermittlung des Bodenwerts (§ 247 BewG) sowie ausgewählte Fallstricke bei der Bewertung im Ertragswertverfahren und im Sachwertverfahren thematisiert. Anschließend geht der Verfasser auf verfahrensrechtliche Möglichkeiten zum Offenhalten des Grundsteuerwertbescheids sowie auf die Anzeigepflicht (§ 228 Abs. 2 Satz 1 BewG) ein, bevor die Abhandlung mit einer Einordnung der Bewertungsvorschriften vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG endet und einen Ausblick auf mögliche Entwicklungen gibt.

Berechnung des abgezinsten Bodenwerts

Bodenwert (§ 257 Abs. 1 Satz 1 BewG) (Mindestwert § 251 Satz 1 BewG)

52.500 EUR(39.375 EUR)

Abgezinster Bodenwert (§ 257 Abs. 2 BewG)

8.909,25 EUR

Berechnung des Grundsteuerwerts

Kapitalisierter Reinertrag

246.118,38 EUR

180.620,03 EUR

+ Abgezinster Bodenwert

8.909,25 EUR

= Grundsteuerwert (abgerundet)

255.000 EUR

189.500 EUR

Für die um 1 qm Wohnfläche kleinere, aber sonst bau- und lagegleiche, Wohnung ergibt sich ein um 65.500 EUR höherer Grundsteuerwert. Hierfür ausschlaggebend ist die Abweichung bei der typisierten – nicht interpolierten – Listenmiete von 4,54 EUR pro qm Wohnfläche. Diese Wertabweichung spiegelt sich u.a. im Rohertrag, aber zuletzt auch – ohne durch andere Wertkomponenten hinreichend ausgeglichen zu werden – im Grundsteuerwert wider. Die hohe Differenz der Grundsteuerwerte zueinander weckt (zunächst) Zweifel an einer relations-realitätsgerechten Abbildung, so dass fraglich scheint, ob derartige Bewertungsergebnisse (noch) vom weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt sind. Festzustellen ist jedoch, dass die aus der Wertabweichung erwachsende steuerliche Auswirkung – angesichts der Steuermesszahl von 0,31 ‰ (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 lit. a GrStG) und der regelmäßig geringen grundsteuerlichen Belastung – gedämpft ausfallen wird.

Beraterhinweis Sofern Wohnung A eine Wohnfläche von (lediglich) 44 qm aufweist, ergäbe sich für die um 16 qm Wohnfläche kleinere, aber sonst bau- und lagegleiche, Wohnung (noch immer) ein um 2.900 EUR höherer Grundsteuerwert i.H.v. 192.400 EUR. Von Wertverzerrungen betroffen sind also nicht nur Wohnungen, deren Wohnfläche unmittelbar an die Schwelle zur nächstliegenden Wohnflächengruppe angrenzt.

[*] Sören Weiß ist in der Oberfinanzdirektion NRW im Bereich der Umsetzung der Grundsteuerreform tätig. Der Autor hat den Beitrag nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.

bb) Vergleichsrechnung bei unterschiedlichen Baujahren

 

Beispiel

Zwei in Düsseldorf belegene Einfamilienhäuser (§ 249 Abs. 2 BewG) liegen in derselben Bodenrichtwertzone, für die ein Bodenrichtwert von 1.500 EUR/qm ausgewiesen wird. Beide wirtschaftlichen Einheiten gleichen sich in ihrer Wohnfläche (149 qm) und in ihrer Grundstücksfläche (1.100 qm). Selbständig nutzbare Teilflächen i.S.v. § 257 Abs. 3 BewG liegen nicht vor. Die bewertungsrelevanten Parameter unterscheiden sich ausschließlich mit Blick auf das Baujahr der aufstehenden Gebäude. Während Einfamilienhaus A das Baujahr 1949 aufweist, ist das Einfamilienhaus B im Jahr 2020 bezugsfertig geworden.

 
  Einfamilienhaus A Einfamilienhaus B
Grundstücksgröße 1.100 qm
Bodenrichtwert 1.500 EUR/qm
Umrechnungskoeffizient (Anlage 36 BewG) 0,82
Baujahr des Gebäudes 1949 2020
(Mindest-)Restnutzungsdauer (vgl. § 253 Abs. 2 Satz 3 und 5 BewG, Anlage 38 BewG) 24 Jahre 78 Jahre
Bewirtschaftungskosten (Anlage 40 BewG) 25 % 18 %
Liegenschaftszinssatz (§ 256 Abs. 1 und 2 BewG) 1,5 %
Vervielfältiger (Anlage 37 BewG) 20,03 45,79
Abzinsungsfaktor (Anlage 41 BewG) 0,6995 0,3131
Berechnung des kapitalisierten Reinertrags
Wohnfläche 149 qm
Angepasste monatliche Nettokaltmiete (+ 30 %) (§ 254, Anlage 39 BewG, MietNEinV) 7,57 EUR/qm 8,94 EUR/qm
Jährlicher Rohertrag (§ 254 BewG) 13.535,16 EUR 15.984,72 EUR
./. Bewirtschaftungskosten (§ 255 BewG) 3.383,79 EUR 2.877,25 EUR
= Reinertrag (§ 253 Abs. 1 BewG) 10.151,37 EUR 13.107,47 EUR
Kapitalisierter Reinertrag(§ 253 Abs. 2 Satz 1 BewG) 203.331,94 EUR 600.191,05 EUR
Berechnung des abgezinsten Bodenwerts
Bodenwert (§ 257 Abs. 1 BewG)(Mindestwert § 251 BewG) 1.353.000 EUR(1.014.750 EUR)
Abgezinster Bodenwert(§ 257 Abs. 2 BewG) 946.423,50 EUR 423.624,30 EUR
Berechnung des Grundsteuerwerts
Kapitalisierter Reinertrag 203.331,94 EUR 600.191,05 EUR
+ Abgezinster Bodenwert 946.423,50 EUR 423.624,30 EUR
= Grundsteuerwert (abgerundet) 1.149.700 EUR 1.023.800 EUR

Für das Grundstück mit dem 71 Jahre älteren Gebäude ergibt sich ein um 125.900 EUR höherer Grundsteuerwert. Zwar übersteigt der kapitalisierte Reinertrag des mit dem jüngeren Gebäude bebauten Einfamilienhauses (B) den d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?