Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberaterprüfung 1993
Tenor
Der Bescheid über das Nichtbestehen des schriftlichen Teils der Steuerberater-Prüfung 1993 vom 31. Dezember 1993 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil wird im Kostenausspruch für vorläufig vollstreckbar erklärt. Der Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der für sie festgesetzten Kostenerstattung leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 10.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
A.
Streitig ist die Bewertung der Aufsichtsarbeiten im schriftlichen Teil der Steuerberater-Prüfung.
Die Klägerin nahm an der Steuerberater-Prüfung 1993 teil. Die von ihr gefertigten Aufsichtsarbeiten wurden unter Verwendung von Musterlösungen mit Bewertungsvorschlägen wie folgt bewertet (erreichbare Punktzahl jeweils 100):
a) Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete |
Note 4,5 |
(Erstprüfer 45 Punkte, Zweitprüfer 48 Punkte) |
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b) Ertragsteuern |
Note 4,5 |
(Erstprüfer 42 Punkte, Zweitprüfer 48 Punkte) |
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c) Buchführung und Bilanzwesen |
Note 5,0 |
(Erstprüfer 35 Punkte, Zweitprüfer 39 Punkte) |
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Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 31. Dezember 1993 mit, daß sie die Prüfung nicht bestanden habe, da die Gesamtnote für die schriftliche Prüfung von 4,66 die Zahl 4,5 übersteige. Nach fristgerechter Klageerhebung führte der Beklagte auf Antrag der Klägerin ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren durch. Mit Schreiben vom 6. April 1995 teilte er der Klägerin mit, daß die Prüfer aufgrund der vorgebrachten Einwendungen ihre Bewertung überprüft und im Gesamtergebnis daran festgehalten hätten.
Die Klägerin trägt u.a. vor: Die Punktevergabe beruhe auf fachwissenschaftlichen Fehleinschätzungen der Korrektoren oder auf einem Überlesen der Lösungsvermerke, weil nach den Lösungshinweisen zutreffende Bearbeitungsteile nicht mit Punkten versehen worden seien. Insoweit werde auf drei Gutachten verwiesen, die von erfahrenen und langjährig tätigen Prüfern erstellt worden seien. Nach diesen Gutachten müsse die Klägerin zur mündlichen Prüfung zugelassen werden.
Das von der Klägerin zu der Klausur „Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete” vorgelegte Gutachten von Prof. …, kommt zu dem Ergebnis, daß für den umsatzsteuerlichen Teil der Lösung 21 Punkte und für den verfahrensrechtlichen Teil 11 Punkte angemessen wären.
Zu der Klausur „Ertragsteuern” hat Steuerberater …, als Gutachter ausgeführt, zu den bereits vergebenen 46 Punkten seien 5 Punkte zusätzlich zu gewähren, so daß die Klägerin 51 Punkte und die Note 4,0 erreiche.
Für die Klausur „Buchführung und Bilanzwesen” gelangt Prof. …, zu dem Ergebnis, daß der Zweitprüfer in Abweichung zu dem Erstprüfer zu Recht die Punkte 12, 29, 40 und 50 gegeben und darüberhinaus die Klägerin die Punkte 41, 42 und 72 in ihrer Lösung erarbeitet habe, so daß sich 42 Punkte ergäben. Die Punkte 41 und 42 müßten gegeben werden, da die Klägerin durch ihren Buchungssatz zum Ausdruck gebracht habe, daß sie die Vorsteuer zur Hälfte in der Sonderbilanz des MA aktiviert und ebenfalls als sonstige Verbindlichkeit (3.250 DM) passiviert habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 31. Dezember 1993 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden lind sie zur mündlichen Prüfung zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Er trägt u.a. vor: Die Einwendungen der Klägerin seien den Prüfern zur Überprüfung und Stellungnahme vorgelegt worden. In den Fächern „Ertragsteuerrecht” und „Buchführung und Bilanzwesen” hätten die Erstkorrektoren jeweils einen Punkt zusätzlich vergeben. An der Gesamtbewertung der Aufsichtsarbeiten hätten die Prüfer jedoch festgehalten, so daß eine Änderung des Prüfungsbescheids nicht möglich sei.
Die Prüfer haben gegenüber dem Beklagten u.a. für die Klausur „Buchführung und Bilanzen” folgende Stellungnahmen abgegeben:
Der Erstprüfer (Wirtschaftsprüfer/Steuerberater …) führt aus, hinsichtlich der Punkte 41 und 42 sei die Erstellung eines Buchungssatzes nicht gleichbedeutend mit der Wiedergabe eines Bilanzinhalts; die Klägerin gebe auch keinen Stichtag an. Zu dem Posten „Grunderwerbsteuer” fehle ein Hinweis zur Sachverhaltsbeurteilung mit daraus folgender Lösung. Es werde vorgeschlagen, einen der Punkte 40 und 41 zu geben.
Der Zweitprüfer (Ministerialrat …) hat wie folgt Stellung genommen: Die Punkte 12, 29, 40 und 50 würden nach wie vor gegeben. Die Punkte 41 und 42 könnten nicht gegeben werden, da die Klägerin nicht darauf eingegangen sei, daß die Notar- und Grundbuchkosten für den hälftigen Anteil des MA an der Lagerhalle in der Sonderbilanz zum 31.12.1991 als sonstige Verbindlichkeit auszuweisen seien und daß die auf die Notarkosten angefallene Vorsteuer in der Sonderbilanz zur Hälfte als Vorsteuer zu aktivieren sei. Die Erstellung eines entsprechenden Buchungssatzes, der zudem ke...