Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedeutung des § 364b AO für das FA im Klageverfahren nach Änderung von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a Satz 3 AO
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Fortwirkung einer Fristsetzung nach § 364b AO ist für das finanzgerichtliche Verfahren in § 76 Abs. 3 i.V.m. § 79b Abs. 3 FGO abschließend geregelt.
2. Hieran hat sich auch durch die Neufassung des § 172 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz AO durch das Gesetz vom 22.12.1999, BGBl. I S. 2310) nichts geändert. Dadurch ist nur klargestellt worden, dass die Regelung des § 364b Abs. 2 AO, wonach Erklärungen und Beweismittel, die nach Ablauf einer Ausschlussfrist nach dessen Abs. 1 AO eingereicht werden, nicht mehr zu berücksichtigen sind, für das gesamte finanzamtliche Verfahren gilt, also auch bei einer schlichten Änderung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO.
3. Das FG kann Steuererklärungen, die nach Ablauf einer Ausschlussfrist nach § 364b Abs. 1 AO eingereicht werden, nur dann ermessensfehlerfrei zurückweisen, wenn deren Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde.
4. Wird zur Klagebegründung die Steuererklärung eingereicht und ist diese gemäß § 76 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 79b Abs. 3 FGO der Steuerfestsetzung zugrunde zu legen, kann nach dem Grundsatz der Verfahrensökonomie das FA die Steuerfestsetzung vornehmen.
Normenkette
AO 1977 § 364b Abs. 1-2, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, S. 3 Hs. 2; FGO § 76 Abs. 3, § 79b Abs. 3
Gründe
I.
Wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen wurde die Umsatzsteuer 1996 geschätzt und mit Bescheid vom 24.07.1998 auf 67.900 DM festgesetzt. Die Steuerfestsetzung erfolgte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Abgabenordnung/AO). Den hiergegen eingelegten Einspruch begründete der Kläger nur mit einer vorläufigen Gewinnermittlung. Nachdem die Umsatzsteuererklärung 1996 trotz mehrmaliger Anschreiben, am 04.03.1999 versehen mit einer Ausschlußfrist nach § 364 b Abs. 1 AO, nicht eingereicht wurde, wies das Finanzamt/FA den Einspruch mit Entscheidung vom 17.08.1999 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung der Kläger am 25.10.1999 die Umsatzsteuererklärung beim FA einreichte. Zwischen den Beteiligten besteht Einvernehmen, daß die Umsatzsteuer 1996 erklärungsgemäß auf 64.444,– DM festzusetzen ist. Am Erlaß eines Änderungsbescheides sieht sich das FA jedoch wegen der im Einspruchsverfahren erfolglos gebliebenen Ausschlußfrist nach § 364 b Abs. 1 AO gehindert.
Die Beteiligten beantragen einvernehmlich, die Umsatzsteuer 1996 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides 1996 vom 24.07.1998 in der Form der Einspruchsentscheidung auf 64.444,– DM festzusetzen.
II.
1. Die Klage ist begründet.
Entsprechend der während des Klageverfahrens beim FA eingereichten Umsatzsteuererklärung ist die Umsatzsteuer 1996 – zwischen den Beteiligten unstrittig – auf 64.444,– DM festzusetzen. Die Umsatzsteuererklärung ist nicht nach § 76 Abs. 3 FGO zurückzuweisen, obwohl sie erst nach Ablauf der vom FA zu Recht gesetzten Ausschlußfrist gem. § 364 b Abs. 1 AO eingereicht wurde. Aus der Verweisung in § 76 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung/FGO auf § 79 b Abs. 3 FGO folgt, daß das Gericht Erklärungen, die nach Ablauf einer Ausschlußfrist nach § 364 b Abs. 1 AO eingereicht werden, nur dann ermessensfehlerfrei zurückweisen kann, wenn deren Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde (§ 79 b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Dies ist nicht der Fall.
2. Obwohl der Kläger in vollem Umfang obsiegt hat, hat er die Verfahrenskosten zu tragen, die durch die verspätete Abgabe der Steuererklärung entstanden sind (§ 137 FGO). Dies betrifft allerdings nur die bis zum 28.07.2000 entstandenen Verfahrenskosten. An diesem Tag haben beide Beteiligte erklärt, daß über die Höhe der festzusetzenden Steuer Einigkeit besteht. Damit hätte das FA anschließend einen Änderungsbescheid erlassen können (vgl. Beschluß des BFH vom 20.08.1998 VI B 157/97, BFHE 186, 341, BStBl II 1998, 744, 745 r. Sp.). Daran war es nicht durch die im Einspruchsverfahren erfolglos gebliebene Ausschlußfrist gem. § 364 b Abs. 1 AO gehindert. Die Fortwirkung einer Fristsetzung nach § 364 b AO, auf die sich das FA zu Unrecht beruft (vgl. Niederschrift über den Erörterungstermin), ist für das finanzgerichtliche Verfahren in § 76 Abs. 3 i. Verb. m. § 79 b Abs. 3 FGO abschließend geregelt (vgl. die Urteile des FG München vom 10.09.1999 9 K 4761/96, nv, und vom 26.11.1997 9 K 3584/96, EFG 1998, 800; sowie des Sächsischen FG vom 28.01.1998 1 K 46/97, EFG 1998, 799). Hieran hat sich auch durch die Neufassung des § 172 Abs. 1 Satz 3 2. HS AO durch das Gesetz vom 22. Dezember 1999 (Bundesgesetzblatt -BGBl.- 1, 2310) nichts geändert. Dadurch ist nur klargestellt worden, daß die Regelung des § 364 b Abs. 2 AO, wonach Erklärungen und Beweismittel, die nach Ablauf einer Ausschlußfrist nach dessen Abs. 1 AO eingereicht werden, nicht mehr zu berücksichtigen sind, für das gesamte finanzamtliche Verfahren gilt, also auch bei einer schlichten Änderung gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AO