Tz. 16

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Für die Ermessensausübung anlässlich der Entscheidung, in welcher Höhe der Verspätungszuschlag im Einzelfall festgesetzt werden soll, sind nach § 152 Abs. 2 Satz 2 AO neben dem Zweck des Verspätungszuschlags (dazu s. Rz. 1; zum Inhalt des missglückten Wortlauts s. Rz. 10) die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruchs (vgl. BFH v. 15.03.2007, VI R 29/05, BFH/NV 2007, 1076), die aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Vorteile sowie das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Dabei sind die in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO genannten Kriterien grundsätzlich gleichwertig; ihnen kann jedoch im jeweiligen Einzelfall unterschiedliches Gewicht zukommen. Auch ist es möglich, dass einzelne Kriterien ganz ohne Auswirkung auf die Bemessung bleiben. Die Finanzbehörde muss dennoch bei ihrer Entscheidung alle ausdrücklich und abschließend aufgeführten Kriterien beachten und das Für und Wider ihrer Berücksichtigung gegeneinander abwägen (s. grundsätzlich: BFH v. 14.06.2000, X R 56/98, BStBl II 2001, 60, BFH v. 11.06.1997, X R 14/95, BStBl II 1997, 642 und BFH v. 28.03.2007, IX R 22/05, BFH/NV 2007, 1450).

 

Tz. 17

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die für die Bemessung des Verspätungszuschlags maßgeblichen Erwägungen hat die Finanzbehörde nach Maßgabe der §§ 121, 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO in dem Festsetzungsbescheid darzulegen (BFH v. 11.06.1997, X R 14/95, BStBl II 1997, 642; zum Begründungsumfang bei Kleinbeträgen oder Massenverfahren s. BFH v. 08.08.1988, V R 19/83, BStBl II 1988, 929). Berücksichtigt die Finanzbehörde nicht alle aufgeführten Kriterien oder sind nicht alle Sachverhaltsumstände, die diese Kriterien ausfüllen, bekannt, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (BFH v. 15.03.2007, VI R 29/05, BFH/NV 2007, 1076; BFH v. 14.06.2000, X R 56/98, BStBl II 2001, 60; BFH v. 11.06.1997, X R 14/95, BStBl II 1997, 642).

 

Tz. 18

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Festsetzung mittels automatisierter Verfahren ist nur zulässig, solange die Datenverarbeitungsanlage lediglich Vorschläge fertigt, die ein Hilfsmittel für die vom Amtsträger zu treffende Ermessensentscheidung darstellen, eingehend: s. FG Ddorf v. 13.07.2000, 18 K 8833/99, EFG 2001, 119 m. w. N., vgl. auch BFH v. 28.03.2007, IX R 22/05, BFH/NV 2007, 1450. Soweit zur Ausübung des Ermessens Berechnungskriterien vorgegeben werden (vgl. AO-Karten; NRW § 152 AO Karte 801), können diese die anzustellenden Ermessenserwägungen nicht ersetzen und auch nicht zwingend vorgeben (vgl. FG Münster v. 19.04.2013, 14 K 1495/12, EFG 2013, 1189).

 

Tz. 19

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Zu den Gesichtspunkten im Einzelnen:

Die Dauer der Fristüberschreitung beeinflusst die Höhe des festzusetzenden Zuschlags ebenso wie die Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruchs, d. h. des noch zu erfüllenden Anspruchs (BFH v. 08.12.1988, V R 169/83, BStBl II 1989, 231, wobei im Einzelfall der Verspätungszuschlag die zu leistende Zahlung übersteigen kann, BFH v. 14.04.2011, V B 100/10, BFH/NV 2011, 1288). Als durch die verspätete Abgabe gezogene Vorteile sind nicht nur Zinsvorteile, sondern auch ggf. vorhandene Liquiditäts- oder Wettbewerbsvorteile anzusehen (Seer in Tipke/Kruse, § 152 AO Rz. 32). Zur Ermittlung des Zinsvorteils s. BFH v. 14.06.2000, X R 56/98, BStBl II 2001, 60 und BFH v. 26.04.1995, I R 28/94, BStBl II 1995, 680; zur Begrenzung des zu berücksichtigenden Zinsvorteils durch § 233a AO s. Rz. 5. Der Grad des Verschuldens bildet naturgemäß einen gewichtigen Teil der von der Finanzbehörde anzustellenden Überlegungen. Die angeordnete Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stpfl. steht in untrennbarem Zusammenhang mit dem Zweck der Zuschlagsfestsetzung. Je leistungsfähiger der Betroffene ist, um so höher wird der Zuschlag sein müssen, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen (Seer in Tipke/Kruse, § 152 AO Rz. 34). Eine ungewöhnlich späte Bearbeitung der Steuererklärung kann im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen sein (BFH v. 10.02.2005, VI B 108/04, BFH/NV 2005, 1003).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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