Tz. 24
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Ablaufhemmung tritt nur "insoweit" ein, als die betragsmäßige Auswirkung des Antrags reicht (Kruse in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz. 15). Ein eingeschränkter Antrag bewirkt ebenfalls eine Teilverjährung. Wird ein eingeschränkter Antrag nach Ablauf der Festsetzungsfrist erweitert, hat dies keine Auswirkung mehr auf die eingetretene Teilverjährung (Rüsken in Klein, § 171 AO Rz. 16; a. A. Spindler, DB 1991, 1296). Nachträgliche Ausweitungen des Antrags sind nur solange und nur insoweit möglich, als die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO noch nicht abgelaufen ist. Spätere Antragserweiterungen erfüllen somit nicht den Tatbestand des § 171 Abs. 3 AO (BFH v. 30.07.1997, II R 9/95, BStBl II 1997, 638; BFH v. 12.12.2000, VIII R 12/00, BStBl II 2001, 218). Im Falle einer Beschränkung des Antrags, auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist, entfällt die Ablaufhemmung soweit der Umfang dieser nachträglichen Beschränkung reicht. Da die Anträge in der Praxis oftmals nicht beziffert sind, müssen diese entsprechend § 133 BGB willensorientiert ausgelegt werden (Cöster in Koenig, § 171 AO Rz. 37).
Tz. 25
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Innerhalb des durch das Antragsziel einerseits und ggf. die bisherigen Festsetzungen andererseits begrenzten Rahmens sind Saldierungen sowohl mit anderen rechtlichen Beurteilungen (§ 177 AO, aber auch § 176 AO) als auch mit anderen gesetzlich zulässigen Änderungen (s. §§ 172, 176 AO) möglich. Die Beschränkung der Saldierungsmöglichkeit auf den Umfang des Antrags beruht darauf, dass die von § 171 Abs. 3 AO behandelten Tatbestände zwar in dem aufgezeigten Rahmen ("insoweit") den Ablauf der Festsetzungsfrist verhindern, nicht aber neben den von § 171 Abs. 3 AO erfassten Tatbeständen zusätzliche Änderungsmöglichkeiten eröffnen, sondern die Zulässigkeit ohnehin bestehender Änderungsmöglichkeiten lediglich zeitlich entsprechend ausdehnen.
Tz. 26
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Beispiel:
Es wurde ein Steuerbescheid über 10 000 EUR erlassen, der bestandskräftig wurde. Die Festsetzungsfrist läuft am 31.12.2011 ab. Im Dezember 2011 beantragt der Stpfl. zu Recht, die Steuer wegen neuer Tatsachen i. S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO auf 8 000 EUR herabzusetzen. Dieser Antrag bewirkt gem. § 171 Abs. 3 Satz 1 AO, dass die Herabsetzung der Steuer durch Änderung des Steuerbescheids gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO auf 8 000 EUR auch nach dem 31.12.2011 – trotz Ablaufs der Festsetzungsfrist im Übrigen – noch möglich ist. Werden nun z. B. im Februar des Folgejahres der Finanzbehörde neue Tatsachen i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bekannt, die eine Steuererhöhung um 5 000 EUR rechtfertigen würden, kann die Finanzbehörde die Auswirkungen des durch den Stpfl. gestellten Herabsetzungsantrags mit der bis zur oberen Grenze von 10 000 EUR noch zulässigen Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO saldieren. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Erhöhung um 3 000 EUR (auf 13 000 EUR) scheitert die Änderung am insoweit eingetretenen Ablauf der Festsetzungsfrist.
Tz. 27
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn sich der gestellte Antrag auf eine unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steuerfestsetzung (§ 164 AO) oder eine vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 AO) bezieht. Bei Stellung eines Änderungsantrages gem. § 164 Abs. 4 Satz 1 AO bleibt der Vorbehalt der Nachprüfung in dem oben aufgezeigten, durch den Antrag und die bisherige Festsetzung betragsmäßig abgegrenzten Rahmen, bestehen. Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt aber durch den nachfolgenden Ablauf der Festsetzungsfrist, soweit diese nicht nach § 171 Abs. 3 AO mit Rücksicht auf den Antrag gehemmt wird (so auch FG BW v. 27.11.1986, VI K 36/86, EFG 1987, 277). Solange er besteht (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO), können Änderungen jeder Art, also ohne dass sonstige gesetzliche Änderungsvoraussetzungen im Übrigen vorliegen müssen, vorgenommen werden.