Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Unterbrechung der Verjährungsfrist bedeutet Wirkungsloswerden der bis dahin abgelaufenen Verjährungsfrist mit der Maßgabe, dass sie mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Unterbrechungstatbestand endet, von Neuem zu laufen beginnt (§ 231 Abs. 3 AO). Es ist in der Praxis durchaus denkbar, dass hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs mehrere Unterbrechungstatbestände unabhängig voneinander zu unterschiedlichen Zeitpunkten eintreten, sodass die Unterbrechungswirkung einen wiederholten Neubeginn der Verjährungsfrist zur Folge hat und die Anspruchsverjährung im Gesamtergebnis sehr weit hinausgeschoben wird.
I. Zeitliche Beschränkung (§ 231 Abs. 2 AO)
Tz. 16
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Für die Dauer der Unterbrechung unterscheidet der Katalog in § 231 Abs. 2 Satz 1 AO zwischen Unterbrechungshandlungen, die ihrer Natur nach Dauerwirkung haben oder mit einer solchen durch das Gesetz ausgestattet werden, und solchen, die sich ohne Dauerwirkung in einer Unterbrechungshandlung erschöpfen. Maßnahmen ohne Dauerwirkung, die mit ihrer Vornahme ihr Ende finden, sind Maßnahmen der Wohnsitzermittlung (§ 231 Abs. 1 Nr. 7 AO) und die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs (§ 231 Abs. 1 Nr. 8 AO). Demgegenüber entfalten die Unterbrechungshandlungen gem. § 231 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AO Dauerwirkung. Im Einzelnen endet die Unterbrechung bei erfüllungsaufschiebenden Maßnahmen erst mit deren Ablauf, bei Sicherheitsleistungen mit dem Erlöschen der Sicherheit, bei Vollstreckungsmaßnahmen mit dem Erlöschen des Pfändungspfandrechts, der Zwangshypothek oder des sonstigen Vorzugsrechts auf Befriedigung sowie in den Insolvenzfällen nach Anmeldung im Insolvenzverfahren mit Beendigung des Insolvenzverfahrens, bei Eintritt eines Vollstreckungsverbots nach § 294 Abs. 1 InsO mit Wegfall des Vollstreckungsverbots und bei der Aufnahme in einen Insolvenzplan oder einen gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan, wenn dieser erfüllt oder hinfällig wird.
Tz. 17
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Eine Sonderregelung enthält § 231 Abs. 2 Satz 2 AO. Hiernach endet die durch Geltendmachung eines Anspruchs gegen die Finanzbehörde eingetretene Verjährungsunterbrechung nicht, bevor über den Anspruch rechtskräftig – gemeint ist unanfechtbar – entschieden worden ist.
II. Persönliche Beschränkung
Tz. 18
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
In persönlicher Hinsicht wirkt die Unterbrechung der Verjährung gegen denjenigen, der von der Unterbrechungshandlung betroffen wird, genauer: den sie als Adressat bezeichnet. Bei mehreren Zahlungspflichtigen wirkt die Unterbrechungshandlung nur gegen denjenigen, gegen den sie sich richtet bzw. seitens dessen sie erfolgt (Sicherheitsleistung). So sind gegenüber dem Schuldner und dem Haftenden die Verjährungsfristen selbstständig zu berechnen; die Unterbrechung der Verjährung muss gegenüber einem jeden gesondert erfolgen (BFH v. 15.11.1966, I B 16/66, BStBl III 1967, 130). Verjährungsunterbrechende Handlungen, die vor Auflösung einer Personengesellschaft im Verhältnis zur Gesellschaft vorgenommen wurden, wirken gegen die Gesellschafter auch nach Auflösung der Gesellschaft fort (BFH v. 21.04.1999, VII B 347/98, BFH/NV 1999, 1440). Unterbrechenshandlungen gegenüber der Gesellschaft nach Auflösen der Gesellschaft wirken gegen deren Gesellschafter aber nur dann, wenn die Unterbrechenshandlung innerhalb der zugunsten der Gesellschafter nach Auflösung der Gesellschaft laufenden Fünf-Jahres-Frist nach § 159 Abs. 1 HGB vorgenommen wird.
III. Betragsmäßige Beschränkung (§ 231 Abs. 4 AO)
Tz. 19
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Dem Umfang und der Höhe nach beschränkt sich die Unterbrechung der Verjährungsfrist auf den Betrag, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht (§ 231 Abs. 4 AO). Dies bedingt, dass die verjährungsunterbrechende Maßnahme in der Weise hinreichend bestimmt ist, dass die Identität des von ihr betroffenen Zahlungsanspruchs zweifelsfrei festgestellt werden kann. Nicht ausreichend und daher als Unterbrechungshandlung unwirksam, wäre z. B. die allgemeine Aufforderung an einen Stpfl., seine noch offenen Steuerschulden unverzüglich zu begleichen. Ein solches Schreiben des FA ermangelt nur dann nicht der notwendigen hinreichenden Bestimmtheit (§ 119 Abs. 1 AO), wenn ein erkennbarer Zusammenhang mit einem anderen, die erforderlichen Angaben enthaltenden Schreiben der Finanzbehörde (z. B. Kontoauszug) besteht.