Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 26
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Im Gegensatz zum Miteigentum, das ein Eigentum nach Bruchteilen ist (s. §§ 1008ff., 741 ff. BGB), steht beim Gesamthandseigentum das Eigentumsrecht den Beteiligten dergestalt zu, dass über die zum Gesamthandsvermögen gehörigen Wirtschaftsgüter nur gemeinsam verfügt werden kann. Über seinen Anteil kann der Beteiligte ohne antizipierte Zustimmung im Gesellschaftsvertrag bzw. dessen Ergänzung oder sonst ohne Zustimmung der übrigen Gesamthänder nicht verfügen. Eine Ausnahme bildet die Erbengemeinschaft, bei welcher der einzelne Miterbe zwar nicht über seinen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen, wohl aber über seinen Anteil am Nachlass, also über seinen Erbteil verfügen kann. Bei den übrigen Gesamthandsgemeinschaften, also der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der Kommanditgesellschaft, der Offenen Handelsgesellschaft und der ehelichen Gütergemeinschaft sowie der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft, gilt der Grundsatz, dass über das gesamthänderisch gebundene Vermögen nur gemeinschaftlich verfügt und eine Teilung erst nach Auflösung der Gemeinschaft verlangt werden kann.
Tz. 27
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ist die Gesamthandsgemeinschaft als solche steuerpflichtig, wie im Bereich der Gewerbesteuer, der Grunderwerbsteuer (Ausnahme: gesamthänderische Güterstände) und der Umsatzsteuer, besteht keine Notwendigkeit, die zum Gesamthandsvermögen gehörigen Wirtschaftsgüter bzw. die von der Gesamthandsgemeinschaft entfaltete Tätigkeit den Beteiligten zuzurechnen. Im Gegensatz hierzu stehen die Steuern vom Einkommen, in deren Bereich nicht die Gesamthandsgemeinschaft, sondern die Beteiligten steuerpflichtig sind. Ungeachtet der gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (s. § 180 AO) muss zur Erhebung der Steuer aus dem bei der Gemeinschaft verwirklichten Steuertatbestand bei den Mitgliedern eine Zurechnung an diese erfolgen. Dabei ist gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu unterstellen, dass die Beteiligten nicht zur gesamten Hand, sondern nach Bruchteilen berechtigt sind. Das gilt nicht nur für den durch eine gesellschaftliche Beteiligung verwirklichten Steuertatbestand (Anteile am Gewinn der Gesellschaft), sondern – soweit steuerlich relevant – auch hinsichtlich des Anteils an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Wirtschaftsgütern (BFH v. 10.12.1998, III R 61/79, BStBl II 1999, 390; BFH v. 28.11.2002, III R 1/01, BStBl II 2003, 251: gewerblicher Grundstückshandel durch Veräußerung eines Anteils an einer Grundbesitz haltenden Personengesellschaft). Daher hat der BFH auch einen Anschaffungsvorgang verneint, wenn Bruchteilseigentümer Grundstücke zu unveränderten Anteilen in eine personenidentische GbR einbringen (BFH v. 06.10.2004, IX R 68/01, BStBl II 2005, 324; BFH v. 02.04.2008, IX R 18/06, BStBl II 2008, 679). Die Höhe der den Beteiligten zuzurechnenden Bruchteile bestimmt sich nach dem Verhältnis der rechnerischen Anteile am Gesamthandsvermögen (Beteiligungsschlüssel; Kapitalanteile). Schwierigkeiten ergeben sich, wenn einzelne Beteiligte der Gemeinschaft gegenüber verschuldet sind (negative Kapitalkonten; BFH v. 24.06.1981, II R 49/78, BStBl II 1982, 2; BFH v. 11.03.1992, II R 157/87, BStBl II 1992, 543).
Tz. 28
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Bedeutung der Zurechnungsnorm des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO erschöpft sich in dem geschilderten Umsetzungszweck: sie schließt nicht aus, aufgrund von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zu einer vom Zivilrecht abweichenden Zurechnung zu gelangen (BFH v. 28.09.1962, III 185/81, HFR 1963, 269).