Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Zulässigkeit sowohl der Anfechtungsklage als auch der Verpflichtungsklage und der allgemeinen Leistungsklage hängt gem. § 40 Abs. 2 FGO davon ab, dass der Kläger geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung bzw. Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies wird regelmäßig mit dem Begriff der Klagebefugnis umschrieben. Diese ist Sachentscheidungsvoraussetzung (s. Vor FGO Rz. 33) und gilt auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (§§ 69 Abs. 3, 114 FGO). Zur Beschwer im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren § 350 AO (§ 350 AO Rz. 1 ff.). Wegen der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Feststellungsklage s. § 41 FGO. Der Kläger ist i. S. des § 40 Abs. 2 FGO bei einer Anfechtungsklage klagebefugt, wenn sein Klagevorbringen es als zumindest möglich erscheinen lässt, dass die angefochtene Entscheidung seine eigenen Rechte verletzt (BVerwG 7 C 102.82, NVwZ 1983, 610; 11 C 35.92 BVerwGE 92, 32; Kopp/Schenke, § 42 VwGO Rz. 65). Diese Möglichkeit ist immer zu bejahen, wenn der Kläger sich gegen einen belastenden Verwaltungsakt wendet, dessen Adressat er ist. Ob die Rechtsverletzung tatsächlich besteht, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage (vgl. BFH VIII B 53/80, BStBl II 1981, 696). Die Klagebefugnis fehlt nur dann, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger geltend gemachten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (z. B. BFH v. VII B 243/05, BFH/NV 2007, 597; VII R 36/06, BFH/NV 2008, 181; IV R 33/12, BFH/NV 2013, 1120; Levedag in Gräber, § 40 FGO Rz. 83; von Beckerath in Gosch, § 40 FGO Rz. 139 f.; Braun in HHSp, § 40 FGO Rz. 176; Seer in Tipke/Kruse, § 40 FGO Rz. 92). Für die Verpflichtungsklage besteht eine Klagebefugnis, wenn der Kläger substantiiert vorträgt, dass ihm aus einem subjektiven öffentlichen Recht ein Anspruch auf den Erlass des beantragten Verwaltungsakts zustehen kann (vgl. Levedag in Gräber, § 40 FGO Rz. 89). Auch für die Zulässigkeit der Leistungsklage bedarf es einer Klagebefugnis, s. Rz. 15a. Die Klagebefugnis ist in gesetzlich bestimmten Fällen ausnahmsweise nicht erforderlich. Grds. entscheidet das FG aber verfahrensfehlerhaft, wenn es zu Unrecht eine Klagebefugnis des Klägers annimmt und der Klage in der Sache stattgibt (BFH v. 12.11.2013, VI B 94/13, BFH/NV 2014, 176). Eine Ausnahme vom § 40 Abs. 2 FGO gilt z. B. für die Fälle des § 48 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 FGO (dazu s. § 48 FGO Rz. 2; s. § 352 AO Rz. 2).

I. Klagebefugnis im Allgemeinen (§ 40 Abs. 2 FGO)

 

Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 40 Abs. 2 FGO schließt nicht nur die Popularklage aus. Die grds. Beschränkung auf den unmittelbar Betroffenen ("Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, … in seinen Rechten verletzt zu sein") schließt sowohl eine gewillkürte Prozessstandschaft aus (BFH v. 31.03.1981, VIII B 53/80, BStBl II 1981, 696) als auch die Wahrnehmung fremder Rechte. So ist der Zessionar eines Erstattungsanspruchs nicht befugt, einen Verwaltungsakt, aus dem der Erstattungsanspruch folgen soll, anzufechten (BFH v. 21.03.1975, VI R 238/71, BStBl II 1975, 669; BFH v. 25.04.1978, VII R 2/75, BStBl II 1978, 464). Dies gilt auch für Pfändungsgläubiger (z. B. BFH v. 18.08.1998, VII R 114/97, BStBl II 1999, 84). Hebt indessen die Familienkasse festgesetztes Kindergeld auf, das an einen Sozialleistungsträger ausbezahlt wurde, so ist Letzterer klagebefugt (BFH v. 02.01.2001, VI R 181/97, BFH/NV 2001, 863). Es ist durch § 40 Abs. 2 FGO nicht ausgeschlossen, dass der Insolvenzverwalter als "Beteiligter kraft Amtes" einen Finanzgerichtsprozess des Schuldners nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften aufnimmt und in eigenem Namen fortführt (Bartone, AO-StB 2004, 142; Bartone, AO-StB 2007, 49). Demgegenüber ist der Testamentsvollstrecker im Finanzprozess nicht ohne Weiteres klagebefugt (z. B. BFH v. 29.11.1995, X B 328/94, BStBl II 1996, 322); klagebefugt ist er ausnahmsweise dann, wenn das FA ihm gegenüber Steuerschulden entsprechend § 2213 BGB geltend macht (BFH v. 16.07.2003, X R 37/99, BB 2003, 2498). Zur formellen Klagebefugnis von Personen, die zum Verfahren hinzugezogen worden sind, vgl. § 360 Abs. 4 AO (s. § 360 AO Rz. 25). Entsprechendes gilt für den Beigeladenen (s. § 60 FGO Rz. 6). Bei Erhebung der KapErtrSt kann sich der Vergütungsgläubiger im Wege der sog. Drittanfechtung gegen die Steueranmeldung (§ 45a EStG) wenden, obwohl sich die damit verbundene Steuerfestsetzung gegen den Vergütungsschuldner als Entrichtungspflichtigen (vgl. § 33 Abs. 1 AO) richtet. Im Rahmen der Klage des Vergütungsschuldners kann die Steuerfestsetzung aber darauf überprüft werden, ob der Vergütungsschuldner die Steueranmeldung vornehmen durfte (BFH v. 12.12.2012, I R 27/12, BFH/NV 2013, 916; BFH v. 19.07.2017, I R 96/15, BFH/NV 2018, 237).

 

Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Für die Klagebefugnis von Ehegatten gilt folgendes: Ehegatten sind auch im Fall der Zusammenvera...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?