Tz. 23

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gegen mehrere Stpfl., die eine Steuer als Gesamtschuldner schulden, kann die Finanzbehörde zusammengefasste Steuerbescheide erlassen. Es handelt sich dabei um eine Ermessensvorschrift, das FA kann gegen die Steuerschuldner auch getrennte Steuerbescheide erlassen. Anwendungsfälle sind z. B. zusammenveranlagte Ehegatten/Lebenspartner (§ 44 Abs. 1 AO), mehrere Stpfl. i. S. des § 10 Abs. 3 GrStG, Verkäufer und Erwerber (§ 13 GrEStG) oder mehrere Erwerber (§ 20 Abs. 1 ErbStG). Nicht hierzu zählen die Fälle der Steuerhaftung, die erst kraft besonderer Umstände eintritt und durch besonderen Haftungsbescheid geltend gemacht wird (s. §§ 69ff., § 191 AO; Seer in Tipke/Kruse, § 155 AO Rz. 36), ferner andere Steuerverwaltungsakte als Steuerbescheide (Ausnahme: Prüfungsanordnungen an Eheleute/Lebenspartner, BFH v. 23.06.2003, X B 165/02, BFH/NV 2003, 1147 m. w. N.; AEAO zu § 197, Nr. 3; s. § 196 AO Rz. 4).

 

Tz. 24

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Ein zusammengefasster Steuerbescheid enthält mehrere inhaltsgleiche Steuerfestsetzungen, die nur der äußeren Form nach zusammengefasst, aber verfahrensrechtlich voneinander unabhängig sind. Daher kann ein zusammengefasster Steuerbescheid, der gegenüber zusammen zu veranlagenden Ehegatten/Lebenspartnern erlassen werden konnte, auch nach dem Tode eines der Ehegatten/Lebenspartner gegenüber dem überlebenden Ehegatten/Lebenspartner und den Erben des verstorbenen Ehegatten/Lebenspartners erlassen werden (BFH v. 17.11.2005, III R 8/03, BStBl II 2006, 287). Wird der Steuerbescheid statt an die Erben an den verstorbenen Ehegatten/Lebenspartner gerichtet, ist die Festsetzung insoweit unwirksam, die gegen den noch lebenden Ehegatten/Lebenspartner dagegen aus dem Rechtsgedanken des § 125 Abs. 4 AO wirksam (BFH v. 19.07.1998, II R 64/95, BFH/NV 1998, 1455).

 

Tz. 25

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In dem zusammengefassten Steuerbescheid sind alle Betroffenen als Inhaltsadressaten aufzuführen (AEAO zu § 122, Nr. 2.1.2). Dies muss nicht zwingend aus dem Bescheid selbst oder dem Bescheid beigefügten Unterlagen für einen Dritten erkennbar sein, es reicht, dass der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der den Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann (BFH v. 17.11.2005, III R 8/03, BStBl II 2006, 287). Fehler bei der Angabe der Adressaten mit der Möglichkeit der Verwechslung führen i. d. R. zur Nichtigkeit des zusammengefassten Steuerbescheids und können grundsätzlich nicht geheilt werden (§ 125 Abs. 1 AO; s. § 157 AO Rz. 21 m. w. N.; AEAO zu § 122, Nr. 4.1.1; von Wedelstädt in Gosch, § 125 AO Rz. 30 m. w. N.). Betreffen die Mängel lediglich einen der mehreren Inhaltsadressaten, ist der zusammengefasste Steuerbescheid aus dem Gedanken der Teilnichtigkeit des § 125 Abs. 4 AO nur insoweit nichtig (BFH v. 29.07.1998, II R 64/95, BFH/NV 1998, 1455).

 

Tz. 26

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Zusammengefasste Steuerbescheide sind nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO grundsätzlich gegenüber jedem der Betroffenen – auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten – bekannt zu geben, und zwar unter Benennung sämtlicher Gesamtschuldner. Hierdurch wird der Verwaltungsakt gegenüber dem jeweiligen Bekanntgabeempfänger wirksam (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO); auf § 122 AO und die Kommentierung dazu wird verwiesen. Wegen einer vereinfachten Bekanntgabe wird auf § 122 Abs. 6 AO, wegen der Bekanntgabe von Zusammenveranlagungsbescheiden auf § 122 Abs. 7 AO und jeweils auf die Kommentierung dazu verwiesen (s. auch AEAO zu § 122, Nr. 2.1.2 und 2.1.3).

 

Tz. 27

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Der Erlass eines zusammengefassten Steuerbescheids bedeutet in der Regel nicht, dass die gesamtschuldnerisch geschuldete Steuer damit von den Gesamtschuldnern "einheitlich" geschuldet wird und ihnen gegenüber nur einheitlich entschieden werden kann. Ficht nur ein Gesamtschuldner den zusammengefassten Steuerbescheid an, sind die übrigen nicht gem. § 360 Abs. 3 AO zum Verfahren hinzuzuziehen bzw. gem. § 60 Abs. 3 FGO beizuladen; in Frage kommt aber eine einfache Hinzuziehung oder Beiladung (AEAO zu § 360, Nr. 3). Eine eventuelle Herabsetzung der Steuer wirkt demgemäß nur gegenüber demjenigen Gesamtschuldner, dem gegenüber sie ausgesprochen wurde (s. § 44 AO Rz. 13 f.); BFH v. 14.01.1997, VII R 66/96, BFH/NV 1997, 283 m. w. N.).

 

Tz. 28

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§ 155 Abs. 3 Satz 2 AO lässt die Verbindung zusammengefasster Steuerbescheide mit Verwaltungsakten über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die die AO anzuwenden ist, zu. Dabei muss der mit dem zusammengefassten Steuerbescheid verbundene Verwaltungsakt nicht sämtliche Gesamtschuldner betreffen. Die Regelung betrifft vor allem die Festsetzung von Verspätungszuschlägen gegenüber Ehegatten/Lebenspartnern im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung (s. § 152 AO Rz. 25). Darüber hinaus können z. B. auch Kirchensteuerbescheide mit einem zusammengefassten Steuerbescheid verbunden werden, und zwar auch bei glaubensverschiedenen Ehe...

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