Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 13
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Haftungs- oder Duldungsbescheid ist schriftlich zu erteilen (§ 191 Abs. 1 Satz 3 AO). Aus den §§ 119 Abs. 1 und 121 AO ergibt sich, dass der Haftungsbescheid angeben muss, für welche und gegen wen gerichtete Ansprüche aus dem Schuldverhältnis gehaftet bzw. die Vollstreckung geduldet werden soll. Angegeben werden muss auch der Umfang der Haftung oder Duldung sowie der Haftungs- oder Duldungsgrund (BFH v. 03.12.1996, I B 44/96, BStBl II 1997, 306; zur inhaltlichen Bestimmtheit eines Lohnsteuerhaftungsbescheids BFH v. 08.08.1988, VII R 6/87, BStBl II 1988, 480). Verfahrensgenstand des Haftungs- bzw. Duldungsbescheides ist ein bestimmter Lebenssachverhalt, der nicht ausgetauscht werden kann (BFH v. 04.07.2013, X B 91/13, BHH/NV 2013, 1540). Nach der Rechtsprechung sind ferner die Gründe für die zugrunde liegende Ermessensausübung in nachprüfbarer Weise darzulegen (BFH v. 30.04.1987, VII R 48/84, BStBl II 1988, 170). Auf eine besondere Begründung der Entscheidung über die Heranziehung als Haftungsschuldner (Ermessen) kann dann verzichtet werden, wenn die Gründe eindeutig zu Tage treten, z. B. wenn wegen der Erstschuld im Ausland vollstreckt werden müsste (BFH v. 03.12.1996, I B 44/96, BStBl II 1997, 306) oder wenn diese Entscheidung durch die Rechtsentscheidung vorgeprägt ist, die Ermessenserwägungen des FA also z. B. aus dem Maß des dargestellten Verschuldens eines Geschäftsführers als Haftungsschuldner eindeutig ablesbar ist (BFH v. 13.04.1978, V R 109/75, BStBl II 1978, 508; BFH v. 30.04.1987, VII R 48/84, BStBl II 1988, 170). Von einer solchen Vorprägung kann im Fall der Haftung nach § 69 AO nicht bereits bei grob fahrlässiger Begehungsweise ausgegangen werden, sondern erst bei vorsätzlicher Steuerverkürzung (BFH v. 08.08.1988, VII R 141/85, BStBl II 1988, 219; BFH v. 12.02.2009, VI R 40/07, BStBl II 2009, 478 bei mehreren Tatbeteiligten; BFH v. 21.01.2004 XI R 3/03, BStBl II 2004, 919 zur Haftung des Hinterziehungsgehilfen; BFH v. 08.06.2007, VII B 280/06, BFH/NV 2007, 1822 zum Rangverhältnis bei der Haftung von Hinterzieher und Gehilfen). Das Maß des Begründungserfordernisses hängt wesentlich von der Mitwirkung des Betroffenen ab. Das FA muss darlegen, weswegen die Voraussetzungen der Haftung gegeben sind. Es muss aber nicht von sich aus über nicht vorgetragene oder offenkundige Ausschlussgründe spekulieren (BFH v. 28.06.2005, I R 2/04, BFH/NV 2005, 2149). Eine mangelnde Mitwirkung kann sich zulasten des Haftungsschuldners auswirken (FG Köln v. 13.10.2011, 13 K 4121/07, EFG 2012, 195). Grundsätzlich muss die Begründung spätestes mit der Einspruchsentscheidung gegeben sein. § 124 Abs. 2 AO gilt hier nur eingeschränkt, weil nach § 102 Satz 2 FGO im FG-Verfahren die Ermessenserwägungen nur ergänzt werden können. Damit ist es nicht möglich, im Klageverfahren die Ermessensgründe erstmals mitzuteilen oder eine bereits gegebene Begründung wesentlich zu verändern (BFH v. 11.03.2004, VII R 52/02, BStBl II 2004, 579; BFH v. 15.05.2013, VI R 28/12, BStBl II 2013, 737; s. im Übrigen die Erläuterungen zu §§ 124 und 127 AO, sowie zu § 102 FGO Rz. 4).
Tz. 14
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zum notwendigen Inhalt eines auf das Anfechtungsgesetz gestützten Duldungsbescheids ist keine Angabe erforderlich, wie sich die Zwangsvollstreckung im Einzelnen gestalten werde (BFH v. 31.07.1979, VII B 11/79, BStBl II 1979, 756); erforderlich ist die Bezeichnung der Forderung, bei Inanspruchnahme nach dem Anfechtungsgesetz die des Anfechtungsgrundes und des zurückzugewährenden Gegenstands.
Tz. 15
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Haftungs- und Duldungsbescheide sind Steuerbescheiden nicht gleichgestellt. Damit gelten für sie die allgemeinen Verfahrensvorschriften des 3. Teils der AO und nicht die besonderen Bestimmungen über das Besteuerungsverfahren (4. Teil der AO), insbes. nicht die die Steuerfestsetzung betreffenden Regelungen. Hierdurch verbietet es sich allerdings für das FA nicht, beim Erlass des Haftungsbescheids hinsichtlich des Primäranspruchs (des Steueranspruchs selbst) auf die Vorschriften der AO zur Steuerfestsetzung zurückzugreifen (Inzidentprüfung). Nur hinsichtlich des Haftungsanspruchs liegt ein eigenständiger Regelungsinhalt des Haftungsbescheids vor und nur hierfür gelten die Vorschriften der AO zur Steuerfestsetzung nicht. Die (materielle) Bestandskraft von Haftungs- und Duldungsbescheiden richtet sich nicht nach den §§ 172ff. AO; vielmehr ist die Zulässigkeit einer vollständigen oder teilweisen Rücknahme (Aufhebung) eines Haftungs- oder Duldungsbescheids nach §§ 130, 131 AO zu beurteilen (BFH v. 28.01.1982, V R 100/80, BStBl II 1982, 292). Damit steht ein formell und materiell bestandskräftiger Haftungsbescheid dem Erlass eines weiteren Haftungsbescheides entgegen, der die gleiche unveränderte Sach- und Rechtslage betrifft (BFH v. 25.05.2004, VII R 29/02, BStBl II 2005, 3). Das FA kann auch nicht bei einer in einem Haftungsbescheid zu niedrig angenommenen Haftungsschuld die h...