A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Regelung durchbricht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, indem sie die Möglichkeit eröffnet, unter bestimmten Voraussetzungen von der Änderung der Steuerfestsetzung abzusehen. Sie dient der Verwaltungsvereinfachung und der Wirtschaftlichkeit der Besteuerung. Wegen der Kleinbetragsregelung für das Erhebungsverfahren s. BMF v. 22.03.2001, IV A 4–2/01, BStBl I 2001, 242. Die Vorschrift wird durch zollrechtliche Vorschriften überlagert, soweit Einfuhr- und Ausfuhrabgaben i. S. des Art. 5 Nr. 20 und 21 UZK betroffen sind (Deimel in HHSp, Art. 104 UZK Rz. 11).
B. Absehen von der Korrektur von Steuerfestsetzungen bei Kleinbeträgen (§ 156 Abs. 1 AO)
I. Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 156 Abs. 1 AO ermächtigt das BMF zum Erlass einer Rechtsverordnung, nach der bei einer Abweichung von der bisherigen Steuer bis 25 Euro eine Steuerfestsetzung oder eine Korrektur der Steuerfestsetzung unterbleibt. Die Zulässigkeit beruht auf Art. 80 Abs. 1 GG. Die Rechtsverordnung bedarf der Zustimmung des Bundesrates nur dann nicht, wenn sie die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer, Zölle und Verbrauchsteuern mit Ausnahme der Biersteuer betrifft (s. Art. 80 Abs. 2 GG). Soweit sich entsprechende Regelungen in Einzelgesetzen befinden (z. B. § 22 ErbStG) gehen sie der aufgrund dieser Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnung vor.
II. Kleinbetragsverordnung (KBV)
Tz. 3
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Von der Ermächtigung hat das BMF schon 1980 durch Erlass der KBV Gebrauch gemacht. Sie ist zuletzt mit Wirkung vom 01.01.2017 durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.07.2016 (BGBl I 2016, 1679) geändert worden und gilt für Steuern, die nach dem 31.12.2016 entstanden sind (Art. 97 § 9a Abs. 3 EGAO). Die KBV betrifft im Wesentlichen Berichtigungen und Änderungen von Steuerfestsetzungen auch nach §§ 164 und 165 AO sowie Änderungen aufgrund eines Rechtsbehelfsverfahrens, nicht jedoch die erstmalige Festsetzung von Steuern.
Tz. 4
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§ 1 KBV Änderung oder Berichtigung von Steuerfestsetzungen
(1) Festsetzungen der
- Einkommensteuer,
- Körperschaftsteuer,
- Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer),
- Grunderwerbsteuer sowie
- der Rennwett- und Lotteriesteuer
werden nur geändert oder berichtigt, wenn die Abweichung von der bisherigen Festsetzung (bis 31.12.2016: mindestens 10 Euro beträgt) bei einer Änderung oder Berichtigung zugunsten des Steuerpflichtigen mindestens 10 Euro oder bei einer Änderung oder Berichtigung zuungunsten des Steuerpflichtigen mindestens 25 Euro beträgt. Bei der Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer ist die jeweils nach Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen verbleibende Steuerschuld zu vergleichen.
(2) Eine angemeldete Umsatzsteuervorauszahlung, eine für das Kalenderjahr angemeldete Umsatzsteuer, eine angemeldete Feuerschutzsteuer oder eine angemeldete Versicherungsteuer wird von der Finanzbehörde nur abweichend festgesetzt, geändert oder berichtigt, wenn die Abweichung von der angemeldeten Steuerim Fall einer Abweichung zugunsten des Steuerpflichtigen mindestens 10 Euro oder im Fall einer Abweichung zuungunsten des Steuerpflichtigen mindestens 25 Euro beträgt. Dasselbe gilt, wenn diese Steuern durch Steuerbescheid festgesetzt worden sind.
(3) Ist Lohnsteuer durch Steuerbescheid festgesetzt oder ist eine durch Lohnsteuer-Anmeldung bewirkte Festsetzung unanfechtbar geworden, gilt Absatz 2 entsprechend.
Tz. 5
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§ 1 KBV gilt nur für die die Änderung oder Berichtigung der ausdrücklich aufgeführten Steuern, nicht für Einfuhr- und Ausfuhrabgaben (s. § 3 AO Rz. 18), Verbrauchsteuern (s. § 3 AO Rz. 24), Einheitswerte, GrSt und steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO). Für KiSt und Kommunalabgaben gilt sie nur, soweit in den Gesetzen über die KiSt und über Kommunalabgaben auf § 156 AO verwiesen wird. Für die KiSt gilt, dass eine Änderung auch bei einer KiSt-Abweichung unter 10 Euro erfolgt, wenn die ESt geändert wird, eine Änderung unterbleibt, wenn die ESt nach § 1 Abs. 1 KBV nicht geändert wird. Entsprechendes gilt für andere Annexsteuern wie z. B. den SolZ.
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 1 Abs. 1 KBV untersagt die Änderung, wenn die Abweichung von der bisherigen Steuer bei einer Korrektur zugunsten des Stpfl. nicht mindestens 10 Euro oder bei einer Korrektur zuungunsten des Stpfl. nicht mindestens 25 Euro beträgt. Die Regelung gilt sowohl für Änderungen zugunsten wie zuungunsten des Stpfl. (BFH v. 16.02.2011, X R 21/10, BStBl II 2011, 671) und betrifft nur Änderungen und Berichtigungen von Steuerfestsetzungen einschließlich der Festsetzung von Vorauszahlungen, nicht jedoch Festsetzungen von Haftungs- oder Duldungsschulden oder Änderungen im Bereich des Erhebungs- oder Vollstreckungsverfahrens. Zu der entsprechenden Regelung im Erhebungsverfahren wird auf das BMF-Schreiben vom 22.03.2001 (BStBl I 2001, 242) verwiesen, der allerdings die Rechtsgrundlage fehlt (Seer in Tipke/Kruse, § 156 AO Rz. 2 m. w. N.). Die Vorschrift gilt auch nicht bei erstmaliger Steuerfestsetzu...