A. Prüfung der Besteuerungsgrundlagen (§ 199 Abs. 1 AO)
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gegenstand der Prüfung sind die Besteuerungsgrundlagen, die § 199 Abs. 1 AO als die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse beschreibt, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind. Sie sind identisch mit dem in § 194 AO verwendeten Begriff "steuerliche Verhältnisse" des Stpfl. (s. § 194 AO Rz. 2). Der Prüfer hat alle für die Besteuerung erheblichen Umstände zugunsten und zuungunsten des Stpfl. zu ermitteln. Die Finanzbehörde trägt die Verantwortung für die Sachaufklärung und hat die Verfahrensherrschaft bei der Sachaufklärung. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen (Seer in Tipke/Kruse, § 199 AO Rz. 1 mit Verweis auf § 88 AO Rz. 1). Dazu gehört auch, dass sie das Recht und die Pflicht hat, Angaben eines Steuerpflichtigen zu verifizieren.
Tz. 1a
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Soweit eigene Sachaufklärungen im Ausland unzulässig sind, muss sich die Finanzbehörde der zwischenstaatlichen Amtshilfe bedienen, um dem Untersuchungsgrundsatz zu entsprechen (§ 117 Abs. 1 AO; FG Köln v. 23.05.2017, 2 V 2498/16, EFG 2017, 1322; Seer in Tipke/Kruse, § 88 AO Rz. 6; Hendricks in Gosch, § 117 AO Rz. 7; Schäffkes/Fechner/Schreiber, DB 2017, 1668). Dies kann im Verhältnis zwischen Deutschland und den anderen EU-Mitgliedstaaten durch Auskunftsersuchen gem. § 6 Abs. 1 EUAHiG oder durch Entsendung eines Prüfers in das EU-Ausland gem. § 11 EUAHiG geschehen, soweit dies erforderlich, verhältnismäßig und auch zumutbar ist (FG Köln v. 20.10.2017, 2 V 1055/17, ECLI:DE:FGK:2017:1020.2V1055.17.00).
Tz. 2
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§ 199 Abs. 1 AO überträgt die in den §§ 85 und 88 AO verankerten allgemeinen Grundsätze des Besteuerungsverfahrens auf die Außenprüfung. Die Vorschrift verdeutlicht die Zielsetzung jeder Prüfung, die darin besteht, sowohl die tatsächlichen als auch die rechtlichen steuerlich relevanten Verhältnisse objektiv, d. h. zugunsten wie zuungunsten des Stpfl. zu überprüfen.
Tz. 3
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Ergänzend ordnet § 7 BpO (s. Anh. 3 § 7 BpO) an, dass die Prüfung auf das Wesentliche abzustellen, ihre Dauer auf das notwendige Maß zu beschränken ist. Sie hat sich in erster Linie auf solche Sachverhalte zu erstrecken, die zu endgültigen Steuerausfällen, Steuererstattungen oder -vergütungen oder zu nicht unbedeutenden Gewinnverlagerungen führen können. Dem entspricht die Schwerpunktbildung bei der einzelnen Außenprüfung sowie z. B. der Rationalisierungs-Erlass des FinMin NRW v. 13.06.1995, S 1502 – 4 – V C 5 (abgedruckt Schallmoser in HHSp, Vor §§ 193 – 203 AO Rz. 107).
B. Unterrichtung des Steuerpflichtigen (§ 199 Abs. 2 AO)
Tz. 4
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§ 199 Abs. 2 AO schreibt vor, dass der Stpfl. während der Prüfung über die festgestellten Sachverhalte und ihre möglichen steuerlichen Auswirkungen zu unterrichten ist. Dies dient nicht nur der Gewährung des rechtlichen Gehörs während der Prüfung (zum rechtlichen Gehör nach Abschluss der Prüfung s. §§ 201, 202 Abs. 2 und 203 Abs. 2 AO), sondern sorgt auch für eine effiziente und rationelle Durchführung der Prüfung. Dadurch, dass der Stpfl. während der Außenprüfung über die festgestellten Sachverhalte und die möglichen steuerlichen Auswirkungen unterrichtet werden muss, wird er vor Überraschungen geschützt; gleichzeitig wird schon während der Prüfung ermöglicht, Ungewissheiten aufzuklären und Zweifelsfragen zu beantworten. Die Unterrichtung hat nur vorläufigen Charakter und enthält keine endgültige Würdigung. Diese ist der auswertenden Stelle (Veranlagungsstelle oder bei veranlagender Betriebsprüfung die Bp-Stelle) vorbehalten. Der Stpfl. kann sich also später nicht auf eine erteilte Information des Prüfers berufen (h. M., Intemann in Koenig, § 199 AO Rz. 19 m. w. N.).
Tz. 5
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Lediglich wenn und soweit durch eine solche Unterrichtung Zweck und Ablauf der Prüfung beeinträchtigt würden, darf sie unterbleiben. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn nach den Umständen die reale Möglichkeit besteht, dass der Stpfl. aufgrund seiner gewonnenen Erkenntnisse die weiter notwendigen oder zweckmäßigen Ermittlungshandlungen z. B. durch Wegschaffen von Unterlagen oder Beeinflussung von Auskunftspersonen stören oder vereiteln wird.
Tz. 6
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Die Unterlassung der Unterrichtung ist ein Verfahrensfehler, der nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 AO geheilt werden kann. Sie löst kein Verwertungsverbot aus (Seer in Tipke/Kruse, § 199 AO Rz. 22 m. w. N.).