A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Eintritt der Fälligkeit eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis bedeutet die Verpflichtung des Anspruchsschuldners, den Anspruch zu erfüllen. Soweit es sich um Ansprüche des Steuerfiskus i. S. des § 240 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO handelt, hat die Nichterfüllung des Zahlungsanspruchs bis zum Ablauf des Fälligkeitstages zur Folge, dass Säumniszuschläge zu entrichten sind. In den gesetzlich besonders geregelten Fällen (s. § 233 Satz 1 AO) kann stattdessen Verzinsung in Frage kommen. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO), die dem Stpfl. zustehen, müssen zwar auch bei Fälligkeit erfüllt werden. Ein Korrelat zu den Säumniszuschlägen besteht jedoch hier nicht. Zur Verzinsung s. §§ 233a, 236 AO.
B. Fälligkeit kraft gesetzlicher Regelung (§ 220 Abs. 1 AO)
Tz. 2
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Gemäß § 220 Abs. 1 AO richtet sich die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach den Vorschriften der Steuergesetze. In einer Vielzahl von Fällen weisen Einzelsteuergesetze derartige Regelungen auf.
Tz. 3
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Wichtige Fälligkeitsregelungen sind z. B.: § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG, §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 2 GewStG, § 18 UStG, §§ 28, 29, 31 GrStG, Art. 108 ff. UZK. Festgesetzte Einkommensteuer wird nur in dem Umfang fällig, in dem in der Anrechnungsverfügung eine Abschlusszahlung ausgewiesen ist (§ 36 Abs. 4 EStG). Das EStG trifft keine – zumindest keine ausdrückliche – Bestimmung, die sich auf die festgesetzte Einkommensteuer als solche bezieht; es enthält erst recht keine Vorschrift, dass festgesetzte ESt mit der Bekanntgabe der Festsetzung fällig wird (BFH v. 18.07.2000, VII R 32–33/99, BStBl II 2001, 133). Weitere Fälligkeitsbestimmungen in Einzelsteuergesetzen bei Loose in Tipke/Kruse, § 220 AO Rz. 4.
C. Fälligkeit bei fehlender gesetzlicher Regelung (§ 220 Abs. 2 AO)
Tz. 4
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Die Fälligkeit der auf Zahlung gerichteten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ist von der Entstehung dieser Ansprüche (§ 38 AO) zu unterscheiden. Ist gesetzlich nichts anderes bestimmt und wird in einem nach § 254 AO erforderlichen Leistungsgebot durch Einräumung einer Zahlungsfrist kein späterer Fälligkeitszeitpunkt bestimmt, so wird der Anspruch mit seiner Entstehung fällig (§ 220 Abs. 2 Satz 1 AO), niemals jedoch vor seiner Entstehung.
Tz. 5
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Hauptanwendungsfall sind die Säumniszuschläge; zu denken ist aber auch an Erstattungsansprüche, z. B. wegen Doppelzahlung, wegen Zahlung ohne rechtlichen Grund bei Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit der Festsetzung und an Rückforderungsansprüche, auch soweit sie sich gegen Dritte richten. § 220 Abs. 2 Satz 1 AO findet auch Anwendung, wenn das FA wegen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch § 87 InsO gehindert ist, seine Steuerforderungen durch Steuerbescheid festzusetzen, und der Erlass eines Feststellungsbescheids nach § 251 Abs. 3 AO einstweilen noch nicht möglich ist, weil es bis zum Bestreiten seiner Forderung durch einen dazu Berechtigten an der Erforderlichkeit eines solchen Bescheids fehlt (BFH v. 04.05.2004, VII R 45/03, BStBl II 2004, 815; BFH v. 04.02.2005, VII R 20/04, BFH/NV 2005, 942; BFH v. 31.05.2005, VII R 74/04, BFH/NV 2005, 1745).
Tz. 6
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Nach § 220 Abs. 2 Satz 2 AO tritt die Fälligkeit nicht vor Bekanntgabe der Festsetzung ein, wenn sich der Anspruch aus der Festsetzung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ergibt. § 220 Abs. 2 Satz 2 AO ist nicht sinngemäß dahingehend erweiternd auszulegen, dass die Fälligkeit generell erst mit der Titulierung der Forderung des FA einträte (BFH v. 04.05.2004, VII R 45/03, BStBl II 2004, 815). Der Wortlaut ist unglücklich gefasst: Der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ergibt sich kraft Tatbestandsverwirklichung aus dem Gesetz (§ 38 AO) und nur dann und insoweit als Steuerzahlungsanspruch aus der Festsetzung, als diese den entstandenen Steueranspruch übersteigt. Auszugehen ist davon, dass alle diejenigen Ansprüche angesprochen sind, die kraft Gesetzes zu ihrer Konkretisierung der Festsetzung bedürfen. Das ist der Fall bei Steuer- und Vergütungsansprüchen (§ 155 Abs. 1 bzw. Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AO), bei Verspätungszuschlägen (§ 152 Abs. 1 AO), Zinsen (§ 239 Abs. 1 i. V. m. § 155 Abs. 1 AO), Zwangsgeldern (§ 333 AO) und bei Haftungsansprüchen (§ 191 AO, beachte aber § 219 Satz 1 AO). Letztere waren von der auf die Festsetzung einer Steuer, einer Steuervergütung oder einer steuerlichen Nebenleistung beschränkten ursprünglichen Fassung des § 220 Abs. 2 Satz 2 AO nicht erfasst (s. BFH v. 14.03.1989, VII R 152/85, BStBl II 1990, 363).
D. Hinausschieben der Fälligkeit
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Häufig ist der Finanzbehörde die Möglichkeit eingeräumt, die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis durch Verwaltungsakt zu modifizieren. So wird die Fälligkeit durch Stundung (§ 222 AO) oder Zahlungsaufschub (§ 223 AO) hinausgeschoben. Aussetzung der Vollziehung (§§ 361 AO, 69 FGO) soll nach BVerwG v. 27.10.1982, 3 C 6.82, StRK AO 1977 § 226 R. 4 (auch BFH v. 17.09.1987, VII R 50–51/86, BStBl II 1988, 36...