Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift regelt die Vertretung durch Bevollmächtigte und die Zuziehung von Beiständen im steuerlichen Verwaltungsverfahren. Dabei ist eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz angestrebt worden. Wegen der Vertretungsmöglichkeit im Finanzprozess s. § 62 FGO. Zur Vertretung in Zollsachen s. Art. 18 und 19 UZK.
B. Zulässigkeit der Bestellung eines Bevollmächtigten
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Allgemein kann sich jeder Beteiligte (s. § 78 AO) ohne besondere Voraussetzungen durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Gemeint ist die gewillkürte Vertretung. Erteilt wird die Vollmacht durch eine einseitige empfangsbedürftige Erklärung gegenüber demjenigen, der bevollmächtigt werden soll, oder gegenüber der Finanzbehörde. Wirksam wird die Vollmacht mit dem Zugang. Die Vollmachtserteilung ist eine Verfahrenshandlung, kein Rechtsgeschäft (Drüen in Tipke/Kruse, § 80 AO Rz. 6; Söhn in HHSp, § 80 AO Rz. 68), und als solche von Willensmängeln unabhängig; sie unterliegt z. B. nicht der Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB.
Tz. 3
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Als Verfahrenshandlung setzt die Vollmachtserteilung sowohl die Beteiligungsfähigkeit (s. § 78 AO) als auch die Handlungsfähigkeit (s. § 79 AO) voraus. Daraus folgt, dass die Vollmacht für handlungsunfähige Beteiligte von deren gesetzlichen Vertreter o. Ä. erteilt werden muss. Im Hinblick auf die Wirkung der Vollmacht (Vornahme von Verfahrenshandlungen) muss der Bevollmächtigte ebenfalls voll handlungsfähig sein. Juristische Personen, Personenvereinigungen und Vermögensmassen sind ebenso wie Behörden handlungsunfähig und können deshalb nicht bevollmächtigt werden (h. M.; a. A. BFH GrS v. 10.03.1969, GrS 4/68, BStBl II 1969, 435; BFH v. 22.01.1991, X R 107/90, BStBl II 1991, 524 m. w. N. für Vertretung vor dem FG, s. dazu § 62 Abs. 3 Satz 6 FGO und § 62a FGO). Die nichtnatürlichen (insbes. juristischen) Personen erteilte Vollmacht kann jedoch im Wege der Auslegung in eine deren gesetzlichen Vertreter erteilte Vollmacht umgedeutet werden (Drüen in Tipke/Kruse, § 80 AO Rz. 8).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vollmachtserteilung bedarf keiner Form. Sie kann mündlich, fernmündlich, schriftlich (auch zur Niederschrift der Finanzbehörde), telegraphisch, per Telekopie (Telefax) oder durch schlüssige Handlung erteilt werden. Handelt eine Person als vollmachtloser Vertreter, kann der Vertretene dessen Verfahrenshandlungen genehmigen (BFH v. 01.12.2004, II R 17/04, BStBl II 2005, 855). Weder der Duldungs- noch der Anscheinsvollmacht liegt eine Vollmachtserteilung zugrunde, doch muss der Vertretene sich das Handeln des Vertretenden zurechnen lassen (BFH v. 25.09.1990, IX R 84/88, BStBl II 1991, 120, 123: Auftreten eines Initiators einer Bauherrengemeinschaft; BFH v. 10.10.2002, VI R 13/01, BStBl II 2003, 156: Auftreten für den Arbeitgeber während einer Lohnsteuer-Außenprüfung).
C. Umfang der Vollmacht
Tz. 5
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Grundsätzlich ermächtigt die Vollmachtzu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen (Muster einer Vollmacht: BMF v. 01.08.2016, BStBl I 2015, 662).
Tz. 6
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Der Bevollmächtigte kann in diesem Rahmen nicht nur Willens-, sondern auch Wissenserklärungen abgeben und tatsächliche Handlungen vornehmen. Ihm gegenüber kann die Finanzbehörde Willenserklärungen abgeben und Verwaltungsakte mit Wirkung gegenüber dem Vertretenen bekannt geben. Vorbehaltlich einer Beschränkung im Außenverhältnis (s. Rz. 7), bezieht sich die Vollmacht nicht nur auf das Ermittlungs- und Festsetzungsverfahren, sondern umfasst auch das Erhebungs- sowie Vollstreckungsverfahren und das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren.
Tz. 7
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Die Vollmacht ist nur dann in ihrem Umfang inhaltlich beschränkt, wenn sie vom Vollmachtgeber im Verhältnis zur Finanzbehörde erkennbar eingeschränkt ist (zu gesetzlichen Beschränkungen s. Rz. 8). Die Einschränkung kann ausdrücklich erfolgen, sich aber auch aus den Umständen des Falles ergeben. Als Willenserklärung ist die Vollmachtserteilung, wie auch die Genehmigung vollmachtslosen Vertreterhandelns auslegungsfähig (BFH v. 01.12.2004, II R 17/04, BStBl II 2005, 855: Begrenzung auf Einspruchseinlegung ohne Entgegennahme von Verwaltungsakten). Auf im Innenverhältnis zwischen dem Bevollmächtigenden und dem Bevollmächtigten bestehende Beschränkungen kommt es insoweit nicht an, als sie nicht nach außen in Erscheinung getreten sind.
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 80 Abs. 1 Satz 2 AO a. E. stellt ausdrücklich fest, dass die Vollmacht nicht zum Empfang von Steuererstattungen und Steuervergütungen ermächtigt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Bevollmächtigung zum Empfang von Steuererstattungen und Steuervergütungen gesetzlich schlechthin ausgeschlossen sein soll. Vielmehr bedarf eine solche Ermächtigung eines ausdrücklichen Hinweises durch den Vollmachtgeber (ausdrückliche Inkassovollmacht; BFH v. 16.10.1990, VII R 118/89, BStBl II 1991, 3). Eine Aufrechnungserklä...