A. Allgemeines
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift stellt die Gründe, die die Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung rechtfertigen können, dar. Außerdem enthält sie bis ins Einzelne gehende Regelungen des Verfahrens und der zu beachtenden rechtsstaatlichen Absicherungen. Die Vorschrift ergänzt § 93 AO.
B. Bedeutung und Anwendungsbereich der Vorschrift
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift ist gering, die Finanzbehörden machen wegen des damit verbundenen Aufwands nur äußerst selten von ihr Gebrauch.
Eidesstattliche Versicherungen dürfen nur von Beteiligten (das sind bei nichtnatürlichen Personen die für das Steuersubjekt Handelnden (§§ 34, 35, 79 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AO) und bei natürlichen Personen auch der gesetzliche Vertreter bzw. Betreuer), nicht von anderen Personen gefordert werden; für diese besteht die Möglichkeit der gerichtlichen eidlichen Vernehmung gem. § 94 AO. Eine rechtsgeschäftliche Vertretung ist naturgemäß ausgeschlossen, allerdings dürfen Bevollmächtigte und Beistände anwesend sein. Nach § 95 Abs. 1 Satz 3 AO darf von eidesunfähigen Personen i. S. des § 393 ZPO eine eidesstattliche Versicherung nicht verlangt werden. Hierunter fallen insbes. Personen unter 16 Jahren.
Einer Anregung eines Stpfl., eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, muss das FA nicht entsprechen; ein solches Angebot hindert das FA auch nicht daran, Vollstreckungsmaßnahmen nach § 284 AO einzuleiten (BFH v. 20.11.2007, VII B 109/07, BFH/NV 2008, 336; BFH v. 07.10.2008, VII B 88/08, BeckRS 2008, 25014413).
Die Versicherung an Eides Statt nach § 95 AO ist von der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 3 AO im Vollstreckungsverfahren zu unterscheiden; sie ist eine speziellere Vorschrift.
C. Tatbestandliche Voraussetzungen
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Grundsätzlich kann die Finanzbehörde einen Beteiligten am Besteuerungsverfahren nur dann zur Abgabe einer Versicherung an Eides statt auffordern, wenn andere Mittel zur Erforschung der Wahrheit nicht vorhanden sind, zu keinem Ergebnis geführt haben oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern (§ 95 Abs. 1 Satz 2 AO). Damit sind die Grenzen für die zu treffende Ermessensentscheidung abgesteckt, insbes. ist klargestellt, dass es sich bei diesem Mittel der Sachverhaltserforschung um ein letztes Mittel zur Wahrheitsfindung handelt. Da jedoch die eidliche Vernehmung Dritter (§ 94 AO) gegenüber der eidesstattlichen Versicherung der gravierendere Eingriff ist (nur zur Wertung § 154 StGB einerseits und § 156 StGB andererseits), ist es nicht gerechtfertigt, davon auszugehen, eidesstattliche Versicherungen dürften erst abverlangt werden, wenn die eidliche Vernehmung Dritter durchgeführt ist (gl. A. Seer in Tipke/Kruse, § 95 AO Rz. 2a). Allerdings ist die Frage, ob noch andere Auskunftspersonen zur Verfügung stehen, bei der Ermessensausübung zu beachten.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gegenstand der eidesstattlichen Versicherung kann nur die Richtigkeit von Tatsachen (auch innerer Tatsachen, wie Absichten) sein. Wird in der Versicherung auf Rechtsbegriffe Bezug genommen, muss sichergestellt sein, dass der Versichernde sich über die Bedeutung des Begriffs im Klaren ist. Dann erstreckt sich die Versicherung auch auf die Tatsachen, die den Rechtsbegriff ausfüllen.
Von Beteiligten oft unaufgefordert abgegebene sog. "eidesstattliche" Erklärungen oder Versicherungen sind schon wegen des formellen Erfordernisses in § 95 Abs. 2 AO als normale Erklärungen oder Auskünfte der Beteiligten zu qualifizieren; sie ziehen im Falle ihrer Unrichtigkeit nicht die bei eidesstattlichen Versicherung nach § 95 AO eintretenden verschärften Konsequenzen nach sich. Der Stpfl. hat keinen Anspruch auf Aufnahme einer eidesstattlichen Versicherung, insbes. ist es kein Ermessensfehler, wenn die Finanzbehörden eine vom Beteiligten angebotene eidesstattliche Versicherung nicht entgegennehmen, solange einfachere und überzeugendere Beweismittel vorhanden sind. Hat sich ein Beteiligter anderer Beweismittel z. B. dadurch begeben, dass er sich auf eine Dritten gegenüber übernommene Schweigepflicht beruft, braucht sich die Finanzbehörde auf eine angebotene eidesstattliche Versicherung nicht einzulassen. Gleiches gilt, wenn der Stpfl. schuldhaft Mitwirkungspflichten oder seine Beweisvorsorgepflichten verletzt.
D. Verfahren
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 95 Abs. 3 Satz 1 AO sind die Angaben, deren Richtigkeit versichert werden soll, schriftlich festzustellen und dem Beteiligten mindestens eine Woche vor Aufnahme der Versicherung mitzuteilen. Auf diese Weise soll der Beteiligte einerseits vor Überrumpelung geschützt, ihm aber auch andererseits die Möglichkeit gegeben werden, sich anhand von Unterlagen (s. § 93 Abs. 3 Satz 1 AO) nochmals zu vergewissern. Die Wochenfrist kann auch im Einverständnis mit dem Stpfl. nicht verkürzt werden, um den Schutzzweck nicht zu gefährden. Für die Bekanntgabe und den Fristbeginn gelten die gleichen Vorschriften wie für den Beginn der Rechtsbehelfsfrist bei Verwaltungsakten; maßgeblich ist also grundsätzlich der ...