Schrifttum
Mack/Fraedrich, Neu: Die Anhörungsrüge nach § 133a AO, AO-StB 2005, 115;
Seer/Thulfaut, Die neue Anhörungsrüge als außerordentlicher Rechtsbehelf im Steuerprozess, BB 2005, 1085;
Zuck, Das Verhältnis von Anhörungsrüge und Verfassungsbeschwerde, NVwZ 2005, 739;
Kettinger, Der dritte Weg: Die Effektivierung der Anhörungsrüge, StB 2006, 259;
Nieland, Keine Umdeutung einer Anhörungsrüge in eine Gegenvorstellung, AO-StB 2006, 171;
Rößler, Außerordentliche gerichtliche Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, INF 2006, 501;
Werth, Die Anhörungsrüge nach § 133a FGO im Kontext der Verfassungsbeschwerde, DStZ 2008, 534;
Nieland, Statthaftigkeit der Gegenvorstellung gegen gerichtliche Entscheidungen, AO-StB 2009, 288;
Nöcker, Verhältnis der Anhörungsrüge zur Gegenvorstellung, AO-StB 2011, 55;
Bartone, Rechtsschutz gegen Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Finanzprozess, AO-StB 2011, 213;
Rieble/Vielmeier, Riskante Anhörungsrüge, JZ 2011, 923;
Grube, Zum übergangenen Beweisantrag und zur gerichtlichen Hinweispflicht im Steuerprozess, DStZ 2013, 591.
A. Allgemeines
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift ist durch das sog. AnhörungsrügenG v. 09.12.2004, BGBl I 2004, 3220 mit Wirkung ab dem 01.01.2005 in die FGO eingefügt worden. Sie dient der Umsetzung einer Plenarentscheidung des BVerfG (v. 30.04.2003, 1 PBvU 1/02 BVerfGE 107, 395), mit der der Gesetzgeber verpflichtet wurde, eine Regelung zu schaffen, die innerhalb der fachgerichtlichen Instanzenrüge, aber außerhalb des Rechtsmittelverfahrens eine Prüfung von Verstößen gegen das Recht auf Gehör ermöglicht. Damit soll dem durch das BVerfG festgestellten Rechtsschutzdefizit Rechnung getragen werden. Dem Gesetzgebungsauftrag folgend sieht die gesetzliche Regelung eine sog. Anhörungsrüge als außerordentlichen Rechtsbehelf vor. Sie ersetzt zum Teil die Gegenvorstellung, die auch im finanzgerichtlichen Verfahren für anwendbar gehalten wurde (§ 155 FGO i. V. m. § 321a ZPO). Zugleich soll sie den Weg zum BVerfG erschweren, da die Verfassungsbeschwerde gegenüber der Anhörungsrüge subsidiär ist (s. Rz. 4). Ob der damit verfolgte Zweck erreicht wird, das BVerfG zu entlasten und zugleich eine vereinfachte Prüfung und Beseitigung von Mängeln bei der Gewährung rechtlichen Gehörs zu ermöglichen, erscheint jedoch zweifelhaft. Schließlich ist zur Entscheidung über die Rüge das Gericht berufen, gegen dessen Entscheidung sich die Rüge des Beteiligten richtet. Es handelt sich dementsprechend um ein Selbstkontrollverfahren des iudex a quo (s. auch Seer in Tipke/Kruse, § 133a FGO Rz. 1). Damit dürfte die Rüge in der Praxis allenfalls in Fällen zum Erfolg führen, in denen der Verstoß auf einem offensichtlichen Versehen beruht, da im Zweifel nicht zu erwarten ist, dass das Gericht einen auf fehlerhafter Rechtsanwendung bestehenden Verstoß einräumt.
B. Anwendungsbereich und Bedeutung der Vorschrift
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Regelung in § 133a FGO regelt den Anwendungsbereich der Anhörungsrüge abschließend. Sie ist damit auf die im Gesetz ausschließlich genannte Verletzung rechtlichen Gehörs beschränkt. Eine Gegenvorstellung ist daher nur noch gegen abänderbare Entscheidungen des Gerichts möglich, nicht jedoch gegen Entscheidungen, die der Rechtskraft fähig sind, z. B. bei Entscheidungen über die Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe (BFH v. 14.10.2010, X S 19/10, BFH/NV 2011, 62 unter Hinweis auf BVerfG v. 25.11.2008, 1 BvR 848/07, BVerfGE 122, 190; BFH v. 24.08.2011, V S 16/11, BFH/NV 2011, 2087 m. w. N.; BFH v. 11.09.2013, I S 14, 15/13, BFH/NV 2014, 50).
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Im Hinblick auf den gesetzlich beschränkten Anwendungsbereich der Anhörungsrüge stellt sich die Frage, ob andere Verstöße als der Mangel des rechtlichen Gehörs gegen die Grundordnung des Verfahrens außerhalb des Rechtsmittelzuges zur Überprüfung gestellt werden können. Der BFH sieht eine solche Möglichkeit mit Ausnahme der nur begrenzt möglichen Gegenvorstellung nicht mehr. Er geht davon aus, dass die Möglichkeit einer sog. außerordentlichen Beschwerde grundsätzlich nicht mehr besteht (u. a. BFH v. 02.10.2012, I S 12/12, BFH/NV 2013, 733; BFH v. 17.07.2013, V B 128/12, BFH/NV 2013, 1611).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Anwendungsbereich der Anhörungsrüge ist schließlich durch ihre Subsidiarität gegenüber den ordentlichen Rechtsbehelfen eingeschränkt. Dies ist im Hinblick auf den abschließenden Charakter der Rechtsbehelfe/-mittel in der FGO zwar an sich offenkundig, jedoch ausdrücklich in § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGO geregelt. Danach kommt eine Fortführung des Verfahrens aufgrund einer Rüge nur in Betracht, wenn ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist. Der Beteiligte hat kein Wahlrecht. Es kommt nicht darauf an, ob der Beteiligte ein Rechtsmittel eingelegt hat, sondern allein darauf, ob ihm die abstrakte Möglichkeit zustand, ein Rechtsmittel einzulegen. Eine Anhörungsrüge ist also unzulässig, wenn der Beteiligte Revision, NZB oder Beschwerde hätte einlegen können. Gleiches gilt, wenn er nach einem G...