Schrifttum

Mittelbach, Zur Zulässigkeit der Anordnung des persönlichen Erscheinens vor den Finanzgerichten, DStZ 1977, 468.

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 80 FGO gibt dem Gericht die Möglichkeit, nach seinem Ermessen das persönliche Erscheinen eines Beteiligten in der mündlichen Verhandlung anzuordnen. Daher handelt das FG nicht verfahrensfehlerhaft, wenn es nicht das persönliche Erscheinen eines durch einen Prozessbevollmächtigten Beteiligten anordnet (BFH v. 05.12.2006, VIII B 4/06, BFH/NV 2007, 490). Die Vorschrift gilt gem. § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 FGO auch für das vorbereitende Verfahren (s. § 79 FGO Rz. 7). Im Falle notwendiger Sachaufklärung ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens regelmäßig sachdienlich. Das gilt auch, wenn der Kläger im Vorfeld erklärt, er werde keine Angaben machen (BFH v. 14.12.2010, X B 103/10, BFH/NV 2011, 618). Die Anordnung kommt für einzelne Tatsachenfeststellungen in Betracht, soweit hierfür die persönliche Glaubwürdigkeit eines Beteiligten von Bedeutung ist, aber auch zur Erforschung sonstiger Umstände, die für die Beurteilung des Sach- und Streitstandes, seiner Entwicklung und seiner zweckmäßigen Behandlung von Bedeutung sind (hierzu Mittelbach, DStZ 1977, 468). Die Anordnung des persönlichen Erscheinens kommt in Betracht, wenn der betreffende Beteiligt angehört werden soll, aber auch, wenn das Gericht eine Beweiserhebung durch verantwortliche Beteiligtenvernehmung (§ 82 FGO i. V. m. §§ 445ff. ZPO) angeordnet hat (zum Unterschied s. § 82 FGO Rz. 9). Denn bleibt der zu vernehmende Beteiligte in dem zu seiner Vernehmung bestimmten Termin aus, so kann allein deswegen ein Ordnungsgeld nicht festgesetzt werden, es sei denn, es wurde entsprechend § 80 Abs. 1 Satz 1 FGO das persönliche Erscheinen angeordnet und gem. § 80 Abs. 1 Satz 2 FGO Ordnungsgeld für den Fall des schuldhaften Ausbleibens angedroht (dazu s. Rz. 3). Die nach § 82 FGO i. V. m. §§ 454 Abs. 1, 453 Abs. 2, 446 ZPO im Übrigen eröffneten Möglichkeiten dürften im Regelfall im Offizialverfahren (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht ausreichen.

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ist gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 FGO das persönliche Erscheinen eines Beteiligten angeordnet worden, muss dieser persönlich erscheinen und kann entgegen § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht deshalb ausbleiben, weil er an seiner Stelle einen bevollmächtigten Vertreter zur mündlichen Verhandlung entsendet. Dies beruht darauf, dass für den Finanzprozess die Grundsätze des Offizialverfahrens gelten (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) und das Gericht deshalb ausschließlich Art und Umfang der notwendigen Sachaufklärung bestimmt. Ist der Beteiligte eine juristische Person oder eine Vereinigung, so kann das Gericht das persönliche Erscheinen des Vertretungsberechtigten anordnen, ggf. hat es unter mehreren Vertretungsberechtigten auszuwählen. Ist der Beteiligte prozessunfähig, kann sein persönliches Erscheinen jedenfalls dann angeordnet werden, wenn er aufgrund seiner kognitiven Fähigkeiten zur Sachverhaltsaufklärung beitragen kann; das persönliche Erscheinen seines gesetzlichen Vertreters kann zusätzlich oder stattdessen angeordnet werden (vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 80 FGO Rz. 2; Thürmer in HHSp, § 80 FGO Rz. 31; Stiepel in Gosch, § 80 FGO Rz. 14; die bis zur Vorauflage vertretene gegenteilige Auffassung wird aufgegeben).

Zur entsprechenden Anwendung von § 80 im vorbereitenden Verfahren § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 FGO (s. § 79 FGO Rz. 7).

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach Maßgabe von § 80 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 FGO kann das FG einem Beteiligten die Androhung eines Ordnungsgeldes für den Fall des Fernbleibens androhen und bei schuldhaftem Ausbleiben festsetzen, und zwar auch wiederholt. Nach hier vertretener Auffassung steht dies im Ermessen des FG (Thürmer in HHSp, § 80 FGO Rz. 70; a. A. Stiepel in Gosch, § 80 FGO Rz. 32; Seer in Tipke/Kruse, § 80 FGO Rz. 3; Herbert in Gräber, § 80 FGO Rz. 10; offengelassen von BFH v. 17.09.2012, V B 77/12, BStBl II 2013, 28). Die Androhung und Festsetzung des Ordnungsgeldes dient – ebenso wie die Anordnung des persönlichen Erscheinens – der Sachverhaltsaufklärung und der Verfahrensbeschleunigung (s. Rz. 1); daher darf Ordnungsgeld im Regelfall nur festgesetzt werden, wenn das unentschuldigte Ausbleiben zu einer Verfahrensverzögerung führt (BFH v. 17.09.2012, V B 77/12, BStBl II 2013, 28). Wird die Klage im Laufe der mündlichen Verhandlung zurückgenommen (§ 72 FGO), kann ein Ordnungsgeld nicht verhängt werden, da eine Verfahrensverzögerung dann nicht mehr zu besorgen ist (BFH v. 17.09.2012, V B 77/12, BStBl II 2013, 28). Für Androhung und Festsetzung des im Falle schuldhaften Ausbleibens in Betracht kommenden Ordnungsgelds von 5 bis 1 000 EUR (§ 80 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 FGO) gilt Art. 6 Abs. 1 EGStGB (auch s. § 52 FGO Rz. 9). Die Androhung muss auf einen zahlenmäßig bestimmten Betrag lauten (BFH v. 22.03.1968, VI B 99/67, BStBl II 1968, 443). Wegen der Höhe des Ordnungsgeldes s. § 52 FGO Rz. 9. Die Festsetzung des Ordnungsgeldes...

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