Dipl.-Kffr. Christina Vosseler, Francoise Dammertz
Rz. 1
§ 13b ErbStG definiert das begünstigte Vermögen, welches bei unentgeltlichen Übertragungen von Vermögen verschonungswürdig ist. Die Norm konkretisiert somit den Begriff des begünstigten Vermögens, welcher sich in den §§ 13a, 13c und 28a ErbStG wiederfindet. Der sachliche Grund für die Privilegierung des Betriebsvermögens ist die Tatsache, dass es sich bei diesem um Produktivvermögen handelt, welches eine Basis für Wertschöpfung und Beschäftigung, sowie für den Erhalt von Arbeitsplätzen darstellt (RegBg. vom 28.01.2008, BT-Drucks. 16/7918 S. 33). Betriebe, welche hingegen weit überwiegend vermögensverwaltend tätig sind, sollen nicht in den Genuss der Verschonung kommen, da dieses Vermögen in erster Linie einer risikolosen Renditeerzielung dient und in der Regel weder die Schaffung von Arbeitsplätzen noch zusätzliche volkswirtschaftliche Leistungen bewirkt (RegBg. vom 28.01.2008, BT-Drucks. 16/7918 S. 35).
1.1 Historie
Rz. 2
Das Bundesverfassungsgericht entschied in seinem Beschluss vom 7. November 2006, dass das damals geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG und damit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz widersprach. Der Gleichheitsgrundsatz findet im Steuerrecht eine besondere Ausprägung in Form des Grundsatzes der Steuergerechtigkeit, wobei die Besteuerung grundsätzlich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten ist. Die erbschaftsteuerlichen Bewertungsvorschriften führten bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen zu Steuerwerten, die nicht dem gemeinen Wert entsprachen. Dies folgte daraus, dass weitestgehend die Steuerbilanzwerte die Bemessungsgrundlage darstellten, welche nicht dem gemeinen Wert entsprachen. Daraus ergaben sich Besteuerungsergebnisse, die mit Art 3 Abs. 1 GG unvereinbar waren (BVerfG vom 07.11.2006, BeckRS 2007, 20676). Im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wurde der § 13b Abs. 2 ErbStG a. F. mit Wirkung zum 01.01.2009 im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz kodifiziert, wonach nicht produktives Vermögen (Verwaltungsvermögen) nicht in den Genuss der Verschonung kommen soll.
Rz. 3
Im Zuge der Erbschaft- und Schenkungsteuerreform 2016 kam es zu einer erneuten Novellierung des § 13b Abs. 2 ErbStG, indem das "Alles-oder-Nichts-Prinzip" durch den 90 %-Brutto-Verwaltungsvermögenstest in Kombination mit der grundsätzlichen Versteuerung des Verwaltungsvermögens ersetzt wurde (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses Drucks. 18/8911 S. 40), nachdem das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil 17.12.2014 die Verfassungswidrigkeit des Verwaltungsvermögenstests festgestellt hatte (BVerfG vom 17.12.2014, NZG 2015, 103). Das Bundesverfassungsgericht ging von einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus, da für begünstigtes Vermögen, mit einer Verwaltungsvermögensquote von bis zu 50 % der gesamten Verschonungsabschlag sowie der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG und die Tarifbegrenzung nach § 19a ErbStG in Anspruch genommen werden konnte, dagegen Erwerber, bei denen das begünstigte Vermögen zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen bestand, gänzlich aus der steuerlichen Verschonung herausfielen.
1.2 Überblick zur Ermittlung des begünstigten Vermögens
Rz. 4
Aus § 13b Abs. 2 ErbStG ergibt sich, wie das begünstigte Vermögen zu bestimmen ist. Ob die steuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen in Anspruch genommen werden können, hängt davon ab, ob das Verwaltungsvermögen vor der Verrechnung mit Schulden (Bruttoverwaltungsvermögen) weniger als 90 % des begünstigungsfähigen Vermögens beträgt (vgl. § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Um diese Eingangshürde zu bestehen, ist zunächst der Wert des begünstigungsfähigen Vermögens zu ermitteln und ins Verhältnis zum Bruttoverwaltungsvermögen zu setzen.
Rz. 5
Wenn diese Hürde genommen ist, ist das begünstigte Vermögen zu ermitteln. Dafür ist der gemeine Wert des begünstigungsfähigen Vermögens um den Wert des nicht begünstigten Vermögens zu kürzen. Hierzu sind mehrere komplexe Schritte notwendig. Um die Komplexität zu veranschaulichen, zeigen wir das nachfolgende Prüfungsschema, das in sechs Stufen untergliedert ist:
1. Stufe |
Begünstigungsfähiges Vermögen (§ 13b Abs. 1 ErbStG) |
Inländisches Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften > 25 % |
2. Stufe |
Abgrenzung des Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 2, 3 und 4 ErbStG) |
Vermietete Grundstücke, Anteile an KapG ≤ 25 %, Kunstgegenstände u.ä., Wertpapiere und vergleichb. Forderungen, Altersversorgungsverpflichtungen |
3. Stufe |
Finanzmitteltest (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG) |
Zahlungsmittel abzgl. Schulden, Abzug Sockelbetrag von 15 % (nur bei originär gewerblicher Tätigkeit) |
4. Stufe |
Berechnung des Nettowerts des Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 6 ErbStG) |
Kürzung Verwaltungsvermögen um nach Finanzmitteltest verbleibende anteilige Schulden (quotale Schuldenzuordnung) |
5. Stufe |
Unschädliches Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 7 ErbStG) |
Minderung Nettowert Verwaltungsvermögen um 10 % des Nettowerts des begünstigten Vermögens |
6. Stufe |
Ermittl... |