Ausgewählter Literaturhinweis:
Hartmann, Abfindung für Verzicht auf eine Option zum Erwerb einer GmbH-Beteiligung, UVR 2001, 93.
Rz. 668
§ 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG ist 1974 neu in das ErbStG aufgenommen worden. Danach werden Abfindungen für aufschiebend bedingt, betagt oder befristet erworbene Ansprüche als Schenkungen behandelt, soweit sie nicht § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG unterfallen. Hintergrund der Norm ist, eine Besteuerungslücke zu schließen. Die unentgeltliche Zuwendung eines aufschiebend bedingten, betagten oder befristeten Anspruchs führt bei seiner Übertragung noch nicht zur Steuerpflicht. Diese tritt erst mit Eintritt der Bedingung, Betagung oder Befristung ein (§ 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG; s. § 9 Rn. 32). Verzichtet nunmehr der Erwerber gegen eine Abfindung auf seinen aufschiebend bedingten, betagten oder befristeten Anspruch, kann es nicht mehr zu einer Besteuerung kommen, da der Eintritt der Bedingung oder des Ereignisses ausgeschlossen ist. An dieser Stelle setzt § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG an und unterwirft die Abfindung der Besteuerung. Dabei ist es unerheblich, ob die Abfindung vom ursprünglichen Zuwendenden oder von einem Dritten geleistet wird (Hannes/Holtz in M/H/H, § 7 Rn. 129; Hartmann, UVR 2001, 93, 95). Die Abfindungszahlung tritt damit hinsichtlich der Besteuerung an die Stelle des abgegoltenen Rechts.
Rz. 669
Grundvoraussetzung für eine Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG ist allerdings, dass der Vorgang, der zur Übertragung des aufschiebend bedingt, betagt oder befristet erworbenen Anspruchs führt, bei Eintritt der Bedingung oder des Ereignisses selbst steuerpflichtig wäre, da die Besteuerung der Abfindungszahlung ein Surrogat dafür darstellt, dass dieser Vorgang nunmehr nicht mehr besteuert werden kann (Gebel in T/G/J/G, § 7 Rn. 352; Schuck in V/S/W, § 7 Rn. 162). § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG geht als speziellere Vorschrift der Regelung des § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG vor. Sofern also ein Fall vorliegt, der unter beide Vorschriften subsumierbar ist, ist § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG einschlägig (s. § 3 Rn. 480).
Rz. 670
Nicht unter den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG fallen Abfindungen für den Verzicht auf bloße Erwerbschancen. Diese werden allerdings, wenn es sich um den Verzicht auf ein gesetzliches Erbrecht oder ein Pflichtteilsrecht handelt, von § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG erfasst (s. Rn. 616 ff.). Ebenfalls keinen Fall von § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG stellen Abfindungen dar, die an einen Vertragserben zur Aufhebung des Erbvertrages gem. § 2299 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 BGB geleistet werden (zur Besteuerung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG s. Rn. 623). Auch eine Abfindung, die der Vertragserbe zu Lebzeiten des Erblassers für den Verzicht auf den Herausgabeanspruch nach § 2287 BGB erhält, unterfällt nicht § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG, da es sich bei dem Herausgabeanspruch bis zum Ableben des Erblassers nicht um einen bedingten Anspruch handelt (ebenso Gebel in T/G/J/G, § 7 Rn. 351; a. A. Lemm, DStZ 1996, 401).
Rz. 671
Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG hat in der Praxis nur eine geringe Relevanz.