Dipl.-Kffr. Christina Vosseler, Francoise Dammertz
Rz. 5
Der Anwendungsbereich des vereinfachten Ertragswertverfahrens erstreckt sich auch auf die Bewertung von ausländischen Unternehmen, solange ein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis ausgeschlossen ist (s. R B 199.1 Abs. 2 ErbStR). Zwar gibt es hierzu im Gesetz keinen Hinweis, aber die ErbStR stellen dies nun endgültig klar, nachdem sich bereits vorher die gleichlautenden Ländererlasse vom 25.06.2009, BStBl I 2009, 698 (707) dahingehend geäußert hatten.
Rz. 6
Auch bei der ausländischen Gewinnermittlung sind Korrekturen i. S. d. § 202 Abs. 1 Satz 2 BewG vorzunehmen (s. R B 199.2 Satz 3 ErbStR). Für die Ermittlung des relevanten Ertragswertes wird die Bewertungsgrundlage in der jeweiligen Landeswährung festgestellt. Dieser Ertragswert ist dann mit dem veröffentlichten Devisenkurs zum Bewertungsstichtag in Euro umzurechnen (s. R B 199.2 Satz 2 ErbStR).
Rz. 7
Beispiel (in Anlehnung an Kowanda, ErbStB 2019, 46):
Der Steuerpflichtige A ist alleiniger Gesellschafter der B Inc. mit Sitz in den USA. Bewertungsstichtag ist der 01.07.2020. Die Gesellschaft erwirtschaftete in den Jahren 2017 bis 2019 die untenstehenden Gewinne. Die Wechselkurse entsprechen nicht den tatsächlichen Kursen und dienen nur der Veranschaulichung. Aus Vereinfachungsgründen wurden keine Hinzurechnungen oder Kürzungen des Gewinns vorgenommen (z. B. hinsichtlich des Ertragsteueraufwands; s. § 202).
Jahr |
Betriebsergebnis in $ |
2017 |
400.000 |
2018 |
500.000 |
2019 |
600.000 |
Durchschnitt |
500.000 |
Durchschnittliche Ergebnisse in Landeswährung $: 500.000 (Hinweis: Es wäre nicht korrekt, für die Berechnung des Durchschnittsertrags die Betriebsergebnisse der einzelnen Jahre vorher in Euro umzurechnen.)
Vervielfältiger (§ 203): 13,75
Ertragswert in $: 6.875.000
Ertragswert in EUR (Kurs am 01.07.2020: 0,96): 6.600.000. Die Wechselkurse der einzelnen Jahre 2017 bis 2019 sind für die Ertragswertberechnung somit nicht relevant.
Das Beispiel zeigt, dass eine Übertragung dann besonders günstig ist, wenn der Fremdwährungskurs gegenüber dem Euro gesunken ist.
Rz. 8
Der nach § 203 BewG maßgebliche Kapitalisierungsfaktor ist nur dann anzuwenden, wenn dies nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt (s. R B 199.2 Satz 4 ErbStR). Um ein ausländisches Unternehmen möglichst genau bewerten zu können, sollten Risikofaktoren des jeweiligen Landes berücksichtigt werden, da sie zu unvorhersehbaren Einflüssen auf die Ertragslage des zu bewertenden Unternehmens führen können. Diese Risikofaktoren können politisch oder wirtschaftlich bedingt sein. Politische Risikofaktoren wie z. B. "Transferrisiken" oder "Enteignungsrisiken" können im Zuge einer Unternehmensbewertung schwer quantifiziert werden. Wirtschaftliche Risikofaktoren – wie z. B. "Wechselkursrisiken" oder "Inflationsrisiken" – können hingegen berücksichtigt werden. Aufgrund der begrenzten Typisierung des vereinfachten Ertragswertverfahrens fließen solche wirtschaftlichen Risikofaktoren allerdings nicht in die Bewertung ein. Eine auslandsbezogene Anpassung des Kapitalisierungsfaktors ist nicht zulässig (s. Kowanda, ErbStB 2019, 47 m. w. N.). Folglich kann bei der Bewertung von weiteren ausländischen Beteiligungen oder inländischen Unternehmensgruppen mit hohem Anteil an weiteren ausländischen Beteiligungen kein sachgerechtes Ergebnis erwartet werden. Die Anwendung von marktgängigen Methoden der Unternehmensbewertung bleibt für ein exakteres Ergebnis somit essenziell (s. Eisele in R/T, § 199 Rz. 6). Aus diesem Grund wird in der Praxis nur ausnahmsweise von dem vereinfachten Ertragsverfahren Gebrauch gemacht (s. Mannek in S/L, § 199 Rz. 185).