Rz. 876
Liegen die vorgenannten Voraussetzungen einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen vor, so handelt es sich um einen unentgeltlichen Vorgang, mit der Folge, dass auf Seiten des Übergebers keine Veräußerung vorliegt und der Übernehmer keine Anschaffungskosten hat, sondern die Buchwerte des Übergebers gem. § 6 Abs. 3 EStG übernimmt. Handelt es sich bei Altfällen um Privatvermögen, das übergeben wurde, ist § 11d Abs. 1 EStDV einschlägig. Die Versorgungsleistungen stellen beim Übergeber wiederkehrende Leistungen dar, die nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerpflichtig sind. Der Übernehmer kann die Versorgungsleistungen als dauernde Last gem. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG als Sonderausgaben (keine Auswirkungen auf GewSt!) abziehen. Insoweit gilt das materielle Korrespondenzprinzip.
Rz. 877
Wird die dauernde Last durch einen Einmalbetrag abgelöst, stellt dieser weder beim Übergeber steuerpflichtige Einnahmen nach § 22 Nr. 1a EStG noch beim Übernehmer Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG dar (BFH vom 26.05.1971, BStBl II 1971, 655). Veräußert der Übernehmer das übertragene Vermögen, so sind, soweit kein Fall der Umschichtung vorliegt, die weiteren Zahlungen der Versorgungsleistungen nicht mehr als Sonderausgaben beim Übernehmer abzugsfähig, da die Zahlung der Versorgungsleistungen nicht mehr aus vorbehaltenen Erträgen des übergebenen Vermögens resultieren (FG Rheinland-Pfalz vom 22.04.2004, EFG 2004, 1366). Übersteigen die Versorgungsleistungen den Wert des übertragenen Vermögens um mehr als 200 %, so sind diese nach Ansicht der Finanzverwaltung (BMF vom 16.09.2004, BStBl I 2004, 922, Rn. 50) insgesamt als nicht abzugsfähige Unterhaltsleistungen nach § 12 Nr. 2, § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG einzuordnen.
Rz. 878
Zur bislang offenen Frage (s. instruktiv Spiegelberger, DStR 2007, 1277 sowie Seltenreich/Kunze, ErbStB 2007, 7338) wie sich die Rechtslage darstellt, wenn Vermögensgegenstände übertragen werden, die nicht unter § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG fallen, also insbesondere bei der Übertragung existenzsichernder Grundstücke, Wertpapierdepots, aber auch GmbH-Anteile von unter 50 %, hat sich die Finanzverwaltung dafür ausgesprochen, dass – entsprechend der allgemeinen Grundsätze – von einem (teil-)entgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen ist (BMF vom 11.03.2010, BStBl I 2010, 227, Tz. 21, 65 ff.; ebenso Risthaus, DB 2007, 240; dies., DB 2010, 744, 749). Dies hat zur Folge, dass in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen ist. Hinsichtlich des entgeltlichen Teils liegen beim Übernehmer Anschaffungskosten vor und beim Übergeber ist, wenn der betriebliche Bereich betroffen ist, ein Veräußerungsgewinn gegeben. Hinsichtlich des unentgeltlichen Teils ist § 11d Abs. 1 EStDV bzw. § 6 Abs 3 EStG einschlägig. Einzelheiten hierzu s. Rn. 829 ff. Mit Urteil 29.09.2021 (DB 2022, 95; Anm. Dorn, DB 2022, 294) hat der BFH diese Sichtweise bestätigt (vgl. auch Geck, ZEV 2022, 128).